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Himmelblau
Wie stiehlt man der Istanbuler Naht ein wenig Leben? Wenn man so wenig Geld
hat wie der gewöhnlihe Istanbuler? Man geht dorthin, wo es Träume gratis gibt. Ans
Bosporusufer. An den Rand der Uferstraße von Tarabya zum Beispiel. Der Tee, der
kostet die Leute hier eine Lira, mehr als sonst, dafür ist Adem, der Teekoher, ihr Kom-
plize. »Meine Frau habe ih auh am Bosporus kennengelernt«, sagt Adem. Jetzt hat
er seinen Samowar hier aufgebaut. In der Buht sieht man die Jahten shaukeln. Eine
Zwishenwelt, der Bosporus. Er öfnet den Blik. Oder ermögliht die Fluht. Er ist
der Trost, den keiner den Istanbulern nehmen konnte, kein brandshatzender Erober-
er, kein sengender Nationalismus, kein betongießender Bürgermeister.
Ein shneeweißer Jeep fährt auf den Parkplatz. Die dunkle Fenstersheibe gleitet
herunter. Kunden. Adem läut hin. Kommt shnell zurük. Gießt zwei Gläser Tee ein.
»Gibt's ja niht.« Er shütelt den Kopf. »Die fanden meinen Tee teuer.« Läut wieder
zum Auto. Kassiert zwei Lira.
Den Bosporus entlang shlängelt sih auf der europäishen Seite eine Küstenstraße
von der Innenstadt bis fast hoh zum Shwarzen Meer, und daran haben die Stadther-
ren alle paar Kilometer ein Stük Promenade gepappt. Beton auf Beton, etwas lieblos,
andererseits: Wer gukt sih shon auf die Füße, wenn er am Ufer der großartigsten
Meeresstraße Europas steht. Man bestaunt die neonstrahlende Brüke, die
leuhtenden Minarete auf der anderen Seite, die Fisher in ihren Einmannkähnen.
Man kann das im Freien mahen, selbst im Winter, in einem der Teegärten am Ufer.
Man kann aber auh sein Auto auf einen der Parkplätze am Ufer stellen und sih
den Tee ins Auto bringen lassen. Von Adem. Die Parkplätze sind voll des Nahts mit
Pärhen, die stundenlang durh die Windshutzsheibe träumen. Oder auh niht. So
genau lässt sih das manhmal niht ausmahen, wenn der heiße Tee die Sheiben
beshlägt.
Adem ist zwanzig. Aus Edirne ursprünglih. Dunkelblond, ewiges Läheln. »Hier
kommen meist Paare in ihren Autos.« Kommen sie zum Shmusen? Adem shaut fra-
gend. Yiyişmek ? Das Wort hat er noh nie gehört. »Sind es Liebespaare?« - »Klar«,
sagt er. »Die parken ganz am Rand und lassen die getönten Sheiben niht runter.«
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