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Rätoromanisch -
die „Muttersprache“ Graubündens
Rätoromanisch wird in Graubünden und
in Norditalien gesprochen. Die Räter wa-
ren ein Volk, das seit der Bronzezeit die
Alpentäler besiedelte, mit den Veneto-Il-
lyrern in Kontakt war und im Laufe der
Zeit keltische Einflüsse annahm. Drusus
und Tiberius unterwarfen 15 v.Chr. die
Stämme und legten den Grund zur Pro-
vinz Raetien. Die Römer benutzten die
Berge als Wall und drängten die Rätier
auf die Nord- und Ostseite der Alpen
zurück. Raetia prima umfasste neben
Graubünden Teile Tirols, der Süd-, Inner-
und Ostschweiz. Das Rätische wurde lati-
nisiert, die neue Sprache als Rätolatein
bezeichnet. Es gehörte zum Idiom der
„Ladina transalpina“.
Aus dem Rätolatein ging das Rätoro-
manische hervor. Es bewahrte ligurische,
keltische und illyrische Reliktwörter. Im
Sprachbau ähnelt es dem Westromani-
schen. Zum Beispiel behielt es das Plural-
s (romanisch: las vias , italienisch: le vie).
In den Konsonantengruppen „pl“, „cl“
und „fl“ bewahrte es das „l“ (romanisch:
plan, clav, flur, italienisch: piano, chiave, fi-
ore) . Es palatalisierte das „c“ vor „a“ (ro-
manisch: chan, gesprochen „tjan“, italie-
nisch: cane). Und es verwandelte das lan-
ge „u“ in „ü“ (lateinisch: murus , roma-
nisch: mür, italienisch: muro).
Der Zusammenbruch Roms förderte
die sprachliche Sonderentwicklung in
den Bergtälern. Die Rätier drangen in
Richtung Friaul vor. Das Italienische übte
starken Einfluss auf das Rätormanische
aus. Germanische Sprache und Lebensart
drangen erst ein, als Karl der Große Räti-
en in Gaue teilte. Der Gau Churrätien
deckte sich mit dem heutigen Graubün-
den, Liechtenstein und Voralberg. Unter
den Victoriden entwickelte sich die
Raetia Curiensis zu einem weitgehend
selbstständigen Kirchenstaat, der 843
Ostfranken zugeschlagen wurde.
Deutschstämmige Dynastien, Vasallen
und Freie zogen in das dünn besiedelte
Passland. Rätoromanisch verlor an Bo-
den. Zuerst war der Bodenseeraum be-
troffen, im 14. Jh. Vaduz und im 15. Jh.
hatte die deutsche Sprache Chur er-
reicht. Aus den Westalpen ließen sich seit
dem 13. Jh. deutschsprachige Walser nie-
der. Zwischen dem 16. und 19. Jh. wurde
diese Entwicklung etwas gebremst, viel-
leicht weil sich die Rätoromanen auf das
eigene Wesen besannen, was sich in den
Zusammenschlüssen der Hochgerichte
in den Drei Bünden zeigte.
Religiöse Schriften und Literatur er-
schienen in den von Tal zu Tal unter-
schiedlichen Idiomen Ladinisch (ladino =
„flink“), Surselvisch, Sutselvisch und Sur-
miranisch. Als Deutsch an Stelle des La-
tein zur Kanzleisprache wurde, übernah-
men es auch die Romanen zur Anferti-
gung der Urkunden. Seit dem 16. Jh. ver-
fassten einzelne rätoromanische Gemein-
den Gesetze und Urkunden in der Mut-
tersprache. Ladinisch wurde im 17. Jh.
zweite Amtsprache im Unterengadin,
nachdem die Österreicher vertrieben
worden waren. Mehrheitlich wurde noch
Deutsch verlangt. Im Verlaufe des 18. Jh.
bestand man nicht mehr auf dieser
Fremdsprache. 1794 waren sämtliche vier
Landessprachen erlaubt, neun Jahre be-
vor Graubünden zur Eidgenossenschaft
kam! Das in politischen Kreisen wichtige
Französisch kam also noch hinzu. Anfang
des 19. Jh. wurde Italienisch Amtssprache
in rätoromanischen Gemeinden, bei der
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