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Totalrevision der Kantonsverfassung war
aber wieder die Muttersprache aus-
schlaggebend als Amtssprache. In den
Räten wurden jetzt auch rätoromanische
Voten möglich. In der Praxis sprach man
in gemischten Gemeinden meistens
Deutsch, da die Deutschschweizer des
Rätoromanischen nicht mächtig waren.
Tiefgreifende soziale und wirtschaftli-
che Veränderungen prägten das 19. und
20. Jh. Die Bergregionen wurden er-
schlossenen, die Mobilität führte zu ei-
ner starken Vermischung der Rätoroma-
nen mit anderssprachigen Zuzüglern, vor
allem aus dem deutschen Raum. Immer
mehr rätoromanische Jugendliche ver-
ließen ihre Heimat und wanderten in die
Industrie- und Verwaltungszentren der
deutschen Schweiz ab. Dies hatte auf die
rätoromanische Sprache und Kultur nega-
tive Auswirkungen. Bis 1850 war das
Rätoromanische Mehrheitssprache in
Graubünden. Von 46 % im Jahr 1880
stieg der Anteil der deutschsprachigen
auf 83,1 % im Jahr 1990 an, der rätoro-
manische aber fiel von 40 % auf 17 % in
derselben Periode. Gemäß der Volkszäh-
lung aus dem Jahr 2000 gibt es nur noch
30.000 Befragte, die heute Rätoroma-
nisch als ihre erste Sprache bezeichnen.
Vergleichbar harmloser war der Rück-
gang des Italienischen in Graubünden
von 13,7 % im Jahre 1880 auf 11 % im
Jahr 1990.
Die Präsenz des Rätoromanischen
hängt stark vom Wohlwollen öffentlicher
und privater Unternehmen und Organisa-
tionen ab. In Gemeindeverwaltungen im
rätoromanischen Sprachgebiet wird prin-
zipiell Rätoromanisch gesprochen. Im
Münstertal, Unterengadin, inklusive
S-chanf und Zuoz und im Oberengadin
ist Rätoromanisch offiziell Amtssprache,
auch in den meisten Gemeinden der Sur-
selva und des Oberhalbsteins und in ein-
zelnen Gemeinden der Sutselva (Schams).
Die Verwendung der Sprache stützt sich
hauptsächlich auf Artikel 70 der Bundes-
verfassung, die das Recht der Sprachen-
freiheit im Verkehr zwischen Privatperso-
nen und Staat postuliert und das Recht, in
bestimmten Bereichen eine Minderheits-
sprache zu verwenden (z.B. als Unter-
richts- oder Verwaltungssprache).
Das Rätoromanische ist Teilamtsspra-
che. Die Kantone werden verpflichtet,
den Sprachfrieden und die sprachliche
Zusammensetzung ihrer Gebiete zu wah-
ren und Sprachminderheiten zu berück-
sichtigen. Im Verkehr mit Rätoromanen
ist das Rätoromanische Amtssprache des
Bundes. Graubünden überlässt es den
Gemeinden, ihre Amts- und Schulspra-
che zu bestimmen. Der Kanton kennt
Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch
als Amtssprachen. Die Zersplitterung in
fünf rätoromanische Idiome verhinderte
jedoch eine gemeinsame Schriftsprache.
Am 2.7.1996 sprach sich die Kantonsre-
gierung für die Verwendung der rätoro-
manischen Einheitssprache Rumantsch
Grischun im Schriftverkehr mit der
rätoromanischen Bevölkerung aus.
Von den 212 Bündner Gemeinden lie-
gen 120 im traditionell rätoromanischen
Sprachgebiet. Davon führen 58 Gemein-
den 80 romanischsprachige Kindergär-
ten, 85 Gemeinden eine romanischspra-
chige Grundschule, 16 Gemeinden eine
deutschsprachige Schule mit Rätoroma-
nisch als Fach. Das Bündner Lehrersemi-
nar in Chur bietet deutsch-, italienisch-
und rätoromanischsprachige Abteilungen
an. An den Universitäten von Freiburg
und Zürich gibt es Professuren, in Bern,
Genf und St. Gallen zumindest Kurse und
Vorlesungen zur rätoromanischen Spra-
che und Literatur.
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