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und 1415 bezahlte Jan Hus seine Kühnheit auf dem Konzil von Konstanz mit dem Tod auf dem
Scheiterhaufen, obwohl ihm der Kaiser persönlich freies Geleit garantiert hatte. Hus' Todestag,
der 6. Juli, ist bis heute in Tschechien Nationalfeiertag.
DassagtgenugauchüberdenStellenwertderÄra,dienunfolgte.DieAnhängerdesMeisters,
man nannte sie Hussiten, entfesselten einen Aufruhr und überzogen nicht nur Böhmen, sondern
auchdieumliegendenGebietefürsiebzehnJahremitwildenKriegengegenallesKatholische.Ihre
Siege verdankten sie nicht nur dem Glaubenseifer, der sie beseelte, sondern auch der Tatsache,
dasssiegenialeHeerführerbesaßenundneuemilitärischeTechnikenanwandten.Raschbewegten
siesichvonOrtzuOrt,schobenihreKampfwagenzuWagenburgenzusammenundsetztenneben
Dreschlegeln auch Schießpulver ein. Die Haubitze erlebte damals ihre Premiere, das Wort hat
tschechischen Ursprung.
ImTaborerHussitenmuseumistimNachbaueinKampfwagenzusehen,wehrhaft,mitgroßen
Rädern und einer hölzernen Schutzwand gegen Angreifer. Es gibt dort auch ein fabelhaftes
Modell einer Stadt, die von hussitischen Truppen belagert wird, samt Leitern, Steinschleudern
und fahrbaren Türmen. Die Zinnsoldaten tragen Schilde, auf denen ein roter Kelch prangt.
Er war das Symbol der Hussiten, die in der Messe das Abendmahl nicht nur in Form der
Hostie empingen, sondern auch als Wein im Kelch. Dies war in der katholischen Kirche den
Priestern vorbehalten, während die Reformer »den Laienkelch« propagierten und überhaupt den
Laien mehr Gewicht gaben. Um weitere liturgische und soziale Fragen kam es in der Bewegung
bald zu erbittertem Streit und letztlich zum Krieg. Eine Gruppe Radikaler gründete 1420 auf
einemFelsbergbeiSezimovoÚstí,neunzigKilometersüdlichvonPrag,eineStadtundnanntesie
Tabor. Der Name war dem Evangelium entliehen, vom heiligen Berg Tabor in Palästina, auf dem
der Religionsstifter Jesus seinen Jüngern erschienen sein soll. Diese »Verklärung des Herrn« gab
der Hauptkirche der neuen Siedlung ihren Namen, und einen Teich, den sie anstauten, nannten
sie Jordan. So heißt er bis heute.
Tabor, die Stadt auf dem Berg, wurde mit schweren Schanzen befestigt und hielt so mancher
gegnerischen Belagerung stand. Die Bewohner schafften das Privateigentum ab, weshalb sie
späterinderkommunistischenPeriodederTschechoslowakeialsFrühsozialistengloriiziertwur-
den. Bilder, Reliquien und Heiligeniguren taten sie in den Bann, ihre Sexualmoral war streng,
man lebte in Armut und Einfachheit. Der wichtigste Heerführer der Taboriten war der einäugige
Haudegen Jan Žižka, den der Mythos der Unbesiegbarkeit umwehte. Auf dem Hauptplatz von
TaborgrüßteralstrutzigeReiterstatue,ebensoimgotischenRathaussaal.AuchŽižkaisteinerder
HeroenderNation.WannimmersichdieTschechenbedrohtfühlten,zumBeispielim19.Jahrhun-
dert und in der Nazizeit, strahlte sein Stern wie der von Jan Hus besonders hell.
Es ist deshalb berechtigt, wenn Jakub Smrčka, der bärtige junge Direktor des Taborer Hussit-
enmuseums, von einem »zweiten Leben des Hussitentums in Tradition und modernem Nation-
albewusstsein« spricht und dies auch in der neuen Dauerausstellung zum Ausdruck bringt. Das
Museum, noch weit über die Wende von 1989 hinaus der kommunistischen Geschichtsinterpret-
ation verhaftet, wurde völlig neu gestaltet und offeriert seit Ende 2010 nicht nur Erwachsenen,
sondern gezielt auch Kindern und Jugendlichen einen modernen Zugang zum Stoff. Man bietet
»wenigerTextundmehrBildundErlebnis«,wieSmrčkasagt.Weshalbesvorkommt,dassSchüler
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