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binnen Stunden setzte Klaus am selben Tag seine Unterschrift unter den Lissaboner Vertrag - Fo-
tografen waren zu dem Anlass nicht bestellt.
Klaus hat bei seinen europäischen Extratouren, auch wenn er allgemein bei seinen Landsleu-
ten zu den beliebtesten Politikern zählt, keineswegs die Mehrheit der Tschechen hinter sich. In
Umfragen traten sie überwiegend für die EU -Reformen ein und billigten auch nicht, dass Klaus
im ersten Halbjahr 2009 für die Dauer der tschechischen EU -Präsidentschaft sich weigerte, auf
dem Dach der Prager Burg neben der tschechischen Staatslagge auch die gestirnte blaue Euro-
pafahne aufziehen zu lassen. Selbst in der früher euroskeptischen ODS verloren die Klaus-An-
hänger massiv an Terrain, so stark, dass Klaus mit großer Geste schon im Winter 2008 sein Amt
als Ehrenpräsident der Partei aufgab und bald darauf gezielt die Gründung einer neuen EU -krit-
ischen Partei freier Bürger ( SSO ) beförderte. Der Parteichef war der Leiter eines von Klaus in-
spiriertenThinktanks,undzudenprominentenMitgliedernzähltendiebeidenSöhnedesStaats-
präsidenten sowie einige seiner sonstigen Vertrauten. Die mehrheitlich europafreundlich gestim-
mten Tschechen aber ließen das Projekt kläglich scheitern. Bei der Wahl des EU -Parlaments im
Juni 2009 kam die neoliberale Splittergruppe nur auf 1,26 Prozent der Stimmen, seither hat man
nichts mehr von ihr gehört.
Václav Klaus indes nutzt unverdrossen die Möglichkeiten, die sein hohes Amt ihm für die
Selbstdarstellung bietet. Wo immer die Freiheit und die Marktwirtschaft zum Thema werden, ist
seine Stimme zu vernehmen. Er ist gebildet und ein guter Redner, kann auch humorvoll und im
persönlichen Umgang durchaus charmant sein, wie Kenner berichten. Deshalb ist ihm im Allge-
meinen durchaus eine recht hohe Zustimmung gewiss, auch wenn er die an den Staatspräsiden-
ten gerichtete Erwartung einer überparteilichen Amtsführung bitter enttäuscht. »Aus einem Ti-
gerwirdniemalseinVegetarier«,hatdiesderfrühereMinisterVladimírMlynářeinmalkommen-
tiert.DamalshattederPräsidentgeradeseinVetogegeneinGesetzüberdieZoologischenGärten
eingelegt,sowieerspäterauchdieHomo-Eheblockierte,biserimParlamentüberstimmtwurde.
Tatsächlich geriert sich der Siebzigjährige in der öffentlichen Wahrnehmung kaum anders als
in früheren Jahren, da er erst Finanzminister und dann Ministerpräsident war: meinungsstark,
unerschrocken, besserwisserisch, unnachsichtig gegen Andersdenkende. Auch ein gewisser pop-
ulistischerGeltungsdrang,denderPublizistMartinJanStránský»miteinerfatalenDosisNarziss-
mus« aufgeladen sieht, ist unverkennbar. Václav Klaus ist insofern Selbstdarstellern wie Nicolas
Sarkozy oder Silvio Berlusconi nicht unähnlich, dem neuen Typus des Theatralikers. Er polaris-
iert. Man verehrt oder verlucht ihn.
Im Unterschied zu Sarkozy und Berlusconi gründet Klaus sein strotzendes Selbstbewusstsein
freilich auf komplexe theoretische Gesellschaftsentwürfe und sein strenges Selbstverständnis als
Akademiker, als Ökonom, der sich mit einem Professorentitel und diversen Ehrendoktorhüten
schmücken darf. Auf die in jungen Jahren bei der Staatsbank gesammelte Erfahrung mit stat-
istischen Modellen stützt er sich noch heute, wenn er gegen Umwelt- oder Klimakämpfer vom
Schlage eines Al Gore zu Felde zieht, die er Environmentalisten nennt.
Für ihn sind sie genauso schlimm wie einst die Kommunisten, alles Grüne und Rote ist ihm
ein Graus. Klaus verabscheut »alle populären Ismen«, wie er vor dem konservativen Cato Insti-
tuteinWashingtonerklärte:vomSozialdemokratismusundMenschenrechtismusüberdenInter-
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