Travel Reference
In-Depth Information
entstandene Vegetationsform, sondern
eine pflanzliche Besiedlung in Folge
menschlicher Aktivitäten. Seit mehreren
Jahrtausenden werden in der Mittelmeerre-
gion durch den Menschen Bäume gefällt,
sei es um Platz für Siedlungen, Anbau-
flächen oder Weideland zu schaffen, sei es,
weil das Holz zum Haus- oder Schiffsbau,
als Brennstoff oder zur Verhüttung von Er-
zen benötigt wurde. In den allerwenigsten
Fällen überlegte man sich dabei, welche
Bäume man fällte und wie viele - man
schlug einfach so viele wie man brauchte
oder verarbeiten konnte und tat dies dort,
wo es am Einfachsten war. So war der
Großteil des Walds rings ums Mittelmeer
bereits im Mittelalter verschwunden. Über-
weidung, Brandrodung und intensive Land-
wirtschaft führten zu Bodenauslaugung
und Erosion. Die natürliche Vegetations-
form der unteren und mittleren Höhenla-
gen - der Wald - hatte keine Chance mehr
sich zu entwickeln. An seiner Stelle ent-
stand entweder eine Karstlandschaft wie
man sie in weiten Teilen des östlichen Mit-
telmeeres, auf den meisten griechischen In-
seln oder an der kroatischen Adriaküste fin-
det, oder - wo der Boden dies noch her-
gab - ein relativ anspruchsloses, wider-
standsfähiges und dorniges Gestrüpp-
und Buschland: die Macchia.
Die Macchia, die heute über 40 Prozent
des einst waldbedeckten Teils Korsikas über-
zieht, ist also eine Sekundärvegetation, de-
ren Entstehung auf der Naturzerstörung
durch Menschen beruht. Das nimmt ihr
nichts von ihrer Schönheit, aber es relativiert
ihre „Natürlichkeit“ oder Ursprünglichkeit.
Die Macchia Korsikas ist ein etwa ein bis
stellenweise fünf Meter hoher, immergrü-
ner und an vielen Stellen undurchdringli-
cher Buschwald mit in der Regel nur weni-
gen Charakterarten. Auf eine der Hauptar-
ten, die Zistrose, geht auch der Name
„Macchia“ zurück. „Mucchio“ ist der Korsi-
sche Name für die Zistrose. Später wurde
die Bezeichnung auf den gesamten Vege-
028ko Foto: wk
Macchia
oder Garigue?
Am Geruch will Napoléon „sein“ Korsika
erkannt haben, bevor die Küste am Hori-
zont sichtbar wurde. Ganz an den Haaren
herbeigezogen ist diese Vorstellung nicht.
Bei günstigem Wind kann der Reisende,
der mit der Fähre nach Korsika kommt, Na-
poléons Wahrnehmung im Selbstversuch
überprüfen - und wenn er im Frühjahr fährt
und einen dunstigen Tag erwischt, kann es
gut möglich sein, dass ihm der über das
Meer wehende Duft von Millionen blühen-
den Macchia-Sträuchern eher in die Nase
steigt als sein Auge die Konturen der Insel
zu erkennen vermag.
Fast berauschend intensiv wird der Ge-
ruch nach einem abendlichen Regenschau-
er im Frühjahr, wenn die Sonne wieder auf
die Macchia scheint und das Regenwasser
zum Verdunsten bringt. Denn dann steigen
mit dem Wasser ätherische Öle aus Blüten
und Blättern auf, die die Landschaft mit ei-
nem dichten Parfümschleier überziehen.
Das ist die schöne, die berauschende
Seite der Macchia. Wie so oft liegen auch
hier Schönheit und Zerstörung eng bei-
sammen. Die Macchia ist keine natürlich
Blühende Macchia
 
Search WWH ::




Custom Search