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zulegte, in der sich Fragmente orientalischer Geschichten, angebliche Zauberkräfte, ja
beinahe mirakulöse Fähigkeiten mischten. Seine Kindheit, so erzählt er, habe er in Mekka
verbracht, dort die Geheimnisse der alten ägyptischen Priester gelernt, aber auch die
Kunst, die Materialeigenschaften der Metalle zu verwandeln, außerdem die
alchemistischen Prinzipien, mit denen er angeblich Blei in Gold verwandeln konnte.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war Ägypten noch ein Ort, der mehr dem Mythos als
der Geografie angehörte. Das darf man nicht vergessen. Erst nach Napoleons
Ägyptenfeldzug (1798-1801), auch «Ägyptische Expedition» genannt, sollte man
allmählich eine etwas genauere Vorstellung von diesem Land und seiner antiken Kultur
bekommen. Cagliostro muss seine ägyptische Vorgeschichte für eine gewinnbringende
Erfindung gehalten haben, die er ohne großes Risiko einsetzen konnte. Er ging so weit,
eine Freimaurerloge von ägyptischem Ritus zu erfinden, zu deren Groß-Kophta er sich
ernannte, einer Art Hohepriester. Ziel des ägyptischen Ritus war nichts Geringeres als die
Regeneration des Menschengeschlechts, um es in den Zustand vor der «Erbsünde»
zurückzuversetzen. Diese Idee krönte er in Lyon durch die Gründung der Mutterloge, der
er (im Einklang mit dem von ihm intuitiv erfassten Geist der Zeit) den Namen La sagesse
triomphante (Die triumphierende Weisheit) gab. Die von ihm erfundene
Initiationsprozedur, die mysteriösen rituellen Praktiken, verbunden mit dem
Magnetismus, der angeblich zur natürlichen Ausstrahlung des Menschen gehöre,
faszinierten Intellektuelle und Mächtige in ganz Europa. Er reiste praktisch überall hin,
vom fernen Russland nach Malta, von Lissabon nach London, wobei er mal an der Tafel
der Herrschenden saß, mal im Gefängnis.
1768, mit fünfundzwanzig Jahren also, heiratet er in Rom Lorenza Serafina Feliciani,
siebzehn Jahre alt, auch sie von sehr bescheidener Herkunft, Analphabetin. Aber
ausgekocht und zu allem bereit, wenn nötig auch zur Prostitution oder zur Inszenierung
amouröser Hinterhalte, in die man irgendeinen Einfaltspinsel locken kann. In London zum
Beispiel verführt sie einen naiven Quäker, in Absprache mit ihrem Ehemann, der dann
plötzlich «rein zufällig» auftaucht und die beiden Turteltäubchen in flagranti ertappt.
Skandal und Empörung vorspielend, tut Cagliostro so, als wolle er blutige Rache nehmen,
gibt sich am Ende aber mit einer finanziellen Entschädigung zufrieden. Die skrupellose
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