Travel Reference
In-Depth Information
reduziert; um die Stadt, die Lagune, die Besitztümer im Adriaticum, einen Gutteil des
Veneto wurde auf dem internationalen Kriegsschauplatz buchstäblich gewürfelt.
Die Regierung Venedigs hatte bereits am 12. Mai 1797 abgedankt und den französischen
Truppen die Stadttore geöffnet. In seiner monumentalen Storia documentata di Venezia
(Geschichte Venedigs in Dokumenten) schreibt Samuel Romanin: «Zeiten äußerster
Entmutigung, die Unabhängigkeit zur Illusion herabgesunken, Zeiten des Untergangs
öffentlicher und privater Reichtümer, den man mit einem künstlichen Freudentaumel zu
verbergen suchte … Zeiten, in denen man alles erneuern wollte und die Vertreter der
öffentlichen Sache, Betrogene oder Betrüger, sich in weitschweifigen Deklamationen
überboten und aus der Regierung ein Puppentheater machten.»[ 15 ] Ohne Widerspruch
befürchten zu müssen, können wir sagen, dass sich in der Geschichte Italiens dieses
«Puppentheater» der verschiedenen Regierungen, dieser sogenannten Vertreter der res
publica, ob nun «Betrogene oder Betrüger», in ähnlich dramatischen Momenten oft
wiederholt hat.
In den ersten Tagen des Juni beschloss die Provisorische Munizipalität (der auch die
Juden angehörten) im Taumel des Neubeginns, die Tore, die bis dahin den Ghetto-Bezirk
umschlossen, niederzureißen. Am 9. Juli (im «Ersten Jahr der Italienischen Freiheit»)
wurden die Juden in der Spanischen Synagoge zusammengerufen, um ihnen zu verkünden,
dass mit den Toren des Ghettos die «abscheuliche Trennung» insgesamt abgeschafft werde.
Das bedeutete die Anerkennung der vollen Staatsbürgerschaft, die ihnen bis zu diesem
Augenblick verweigert oder nur eingeschränkt gewährt worden war. Tatsächlich wurde
die Nationalgarde damit betraut, die Anordnung materiell umzusetzen: «Die Provisorische
Munizipalität … hat verfügt, dass die Tore fallen müssen …, jene Trennungsmarke
zwischen Juden und den anderen Staatsbürgern, damit sichtbar wird, dass es keine
Trennung mehr gibt.»[ 16 ] Pier Gian Maria de' Ferrari, der das dritte Bataillon befehligte,
hat uns eine sehr farbige Beschreibung der Ereignisse hinterlassen:
Die Genugtuung und Zufriedenheit des ganzen zusammengelaufenen Volkes lässt sich nicht in Worte fassen, das
unter freudigen Rufen wie «Es lebe die Freiheit!» nicht müde wurde, jene Schlüssel [des Ghettos] auf dem Boden
zu schleifen und diese Stunde und den Augenblick der Wiedergeburt zu segnen. Diese hellen Hochrufe wurden
fast eins mit dem Geräusch, das entstand, als nacheinander alle vier Tore unter der Leitung des Adjutanten
Goldoni, der sich mit dem Eifer eines Patrioten hervortat, niedergerissen wurden. … In dem Augenblick, als
man die Tore schliff, begannen Personen beiderlei Geschlechts inmitten des Platzes, der von der Nationalgarde
gedeckt wurde, demokratische Freudentänze aufzuführen. Es bleibt festzuhalten, dass auch die nach jüdischer
 
 
Search WWH ::




Custom Search