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Krankenbericht nachlesen kann. Wegen des langen Transportwegs nach Wien wurde ihr
Leichnam von demselben Dottor Rossi einbalsamiert, der Lehrer der beiden aus dem
außerehelichen Verhältnis hervorgegangenen Kinder gewesen war. Feldmarschall
Radetzky, der in Italien zu trauriger Berühmtheit gelangte, Generalkommandant der
österreichischen Armee im lombardo-venezianischen Königreich, schickte ein Geschwader
von hundertfünfzig Husaren als Ehrengeleit.[ 13 ] Was die Stadt Parma betrifft, so ist als
vielleicht bedeutsamste Tatsache zu verzeichnen, dass sich auf die Nachricht von ihrem
Tode vor ihrem Palast eine große Menge zusammenfand, schmerzerfüllt und hilflos,
schweigend.
Was hat der Hof von Marie-Louise und ihrem Neipperg mit dem kleinen Hof des Prinzen
Ranuccio Ernesto IV. zu tun? Sehr wenig, vielleicht gar nichts. Es gibt keine historischen
Vorbilder, keine politische Analogie zu dieser Persönlichkeit, die hier so plötzlich in
unsere Geschichte einbricht. Prinz Ranuccio regiert eine erfundene Stadt, die Parma ist
und auch wieder nicht, die historisch - wenn überhaupt - eher Modena ähnelt, die aber in
jedem Fall im Italien jener Zeit bleibt - und vielleicht auch ein wenig in der unseren.
Ranuccio Ernesto IV. ins Spiel zu bringen bedeutet, dass wir vom historischen Parma zu
der verklärten Stadt übergeleitet haben, um die herum Stendhal sein Meisterwerk La
Chartreuse de Parme (Die Kartause von Parma) konstruiert hat. Wie wir am Anfang unserer
Reise gesehen haben, liebte der Schriftsteller Italien gerade aufgrund seiner Defekte oder
wegen der von ihm überall auf der Halbinsel, im Süden wie im Norden, angetroffenen
Fähigkeit, Leidenschaften so heftig zu empfinden, dass dieser psychische
Ausnahmezustand schnell zum Verbrechen aus Leidenschaft führen kann oder zumindest
dazu, aus Liebe zu verzweifeln. Im Vorwort seines Romans, den er wie in einem Furor in
nur 52 Tagen diktiert hatte (November-Dezember 1838), schreibt Stendhal:
… die Italiener sind aufrichtig, gutmütig und sagen, wenn sie nicht eingeschüchtert werden, was sie denken;
nur gelegentlich haben sie Anwandlungen von Eitelkeit; dann allerdings wird sie zur Leidenschaft, und man
nennt sie puntiglio, Eigensinn. Und schließlich ist Armut bei ihnen nichts Lächerliches.[ 14 ]
 
 
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