Travel Reference
In-Depth Information
kann, denn aus den Frauen ist es nicht möglich, ein gescheites Wort zu ziehen.»[ 5 ]
Die Erzherzogin war gewiss keine Intellektuelle, ihre Bildung nur oberflächlich. Sie
hatte aber an zwei kaiserlichen Höfen gelebt, wo sich alle, an erster Stelle ihre Hofdamen,
durch brillante, charmante Konversation auszeichneten, hier und da durchsetzt von
anbiederndem Klatsch mit saftig-pikanten Details. Sie hatte alles erlebt, was zur
Atmosphäre eines Hofes dazugehört, wo jeder, der nicht die Kunst der Weitläufigkeit
beherrscht, sofort ins Abseits gerät, und nur der bestehen kann, der diese Art der
Konversation beherrscht. Die Damen waren mit allen Wassern gewaschen, hatten sonst
nicht viel zu tun und verbrachten einen Großteil ihrer Zeit mit Klatsch und Tratsch, dem
Geschwätz über (wenn es die Situation erlaubte) Heldentaten und Moden, Vorlieben und
Eigenheiten des einen oder anderen, begleitet von verschwörerischem Lächeln,
vielsagendem Schweigen, graziösen Schubsern, mokantem, sogleich hinter einem Fächer
verborgenem Grinsen.
In Parma fehlte all dies offenbar, doch schien das Marie-Louise nur in geringem Maße
zu bekümmern. In einem weiteren Brief an den Vater schrieb sie nämlich: «Mein einziger
Wunsch ist es, mein Dasein hier in größter Ruhe verbringen zu dürfen.»[ 6 ]
Ihre Ehe mit Napoleon war sehr aufregend gewesen, das konnte auch gar nicht anders
sein, wenn man bedenkt, welche Gewitter sich in den Jahren zwischen 1810 und 1815
über dem Haupt dieses unbeugsamen Mannes zusammengezogen hatten. Auf seine Weise
hatte der Kaiser es wahrscheinlich geliebt, dieses schüchterne Mädchen, das ihm das so
heftig herbeigesehnte Kind geschenkt hatte, einen Sohn, den König von Rom, den aiglon
(Sohn eines Adlers), den Jungen, der in seinen Träumen eines Tages als Napoleon II.
gekrönt werden sollte. Die Rechtmäßigkeit dieser Ehe war übrigens umstritten, für Papst
Pius VII. sogar nichtig, weil in seinen Augen von Anfang an nicht gültig. Napoleon hatte
sich in derselben Situation befunden wie Heinrich VIII. Auch dem Engländer war es nicht
vergönnt, von seiner Frau Katharina von Aragón das männliche Kind zu bekommen, das er
für den Fortbestand seiner Dynastie benötigte. Sechs Jahre älter als er, hatte die Spanierin
zwar zahlreiche Schwangerschaften gehabt, aber lauter Fehlgeburten, außer einer, die zur
Geburt eines Mädchens führte, das sich als Königin den Beinamen Maria die Blutige
(Bloody Mary) erwerben sollte.
 
 
Search WWH ::




Custom Search