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greift auf die Verklärung des Schweigens im Mittelalter zurück:
Jedes am falschen Ort nicht gesprochene Wort sollte man sich
aufsparen für das Himmelreich. Diesen Rückzug unterstützt die
Romantik mit der Idee der harmonischen Unterhaltung im Freun-
deskreis, die im Biedermeier die dazu passenden Institutionen wie
Vereine, Liedertafeln und Teekränzchen indet.
Der Soziologe Norbert Elias konstatiert für die Entwicklung der
Konversation:
»Die ›guten Gesellschaften‹, die nach der höischen kommen, ha-
ben in der Sphäre des geselligen Verkehrs nicht mehr im Entfern-
testen die gleiche, formgebende Kraft; denn von nun an werden
immer mehr Beruf und Geld zur primären Quelle des Prestiges.
Und die Kunst, die Verfeinerung des Verhaltens im geselligen Ver-
kehr hört auf, von so entscheidender Bedeutung für das Ansehen
und den Erfolg des Einzelnen in der Gesellschaft zu sein.«
Die Grande Encyclopédie von 1880 konstatiert deshalb ein wenig
wehmütig: »Heutzutage lassen die Geschäfte kaum mehr Zeit für
den Kult um den Esprit.«
Aber das stimmt natürlich nicht einschränkungslos. Die Konver-
sation hat sich nur seitdem komplett gelöst von gesellschaftlichen
Anlässen wie einem Salon. Ihre Grundlagen gelten immer noch,
auch wenn sie von vielen Konventionen befreit wurde. Auf der ei-
nen Seite kann sie überall und zu jeder Zeit stattinden und auf der
anderen jeden mit einschließen, der sich darauf einlässt.
Nach wie vor ist die wichtigste Regel bei der Konversation: ver-
bindlich unverbindlich zu bleiben. Jeder Gesprächspartner muss
ein bisschen mehr Interesse an der Unterhaltung haben als an sich
selbst. Das setzt voraus, jedes Thema maßvoll zu behandeln. Auf
Gesprächsgegenstände, bei denen leidenschaftlich vorgetragene
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