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Eleganz und Leichtigkeit werden an der Seine seit Jahrhunderten
eingeübt - und eingefordert. Hölichkeit hat sich verbunden mit
höchster Kunstfertigkeit. Schließlich bietet eine Konversation viel
mehr: Im Idealfall lässt sie alle Teilnehmer mit einem angeregten
Lächeln zurück. Jeder Frankreichbesucher kann sich darauf einlas-
sen. Vorausgesetzt er erkennt den Unterschied zwischen oberläch-
lichem Geplänkel und einer rafiniert geführten Konversation à la
française.
Ein Zeitgenosse der beiden Herren im Café hat konsequenterweise
Paris nicht nur zur Hauptstadt der Welt erklärt, sondern gleich zu
der des ganzen Universums. Wer möchte dem widersprechen? -
Ein Loblied auf die französische Konversationskunst beginnt also
zwangsläuig mit einem Hymnus auf Paris. Denn die beiden sind
nicht voneinander zu trennen.
Der Hang zum Überschwang gehört sowohl in eine Plauderei als
auch zu der Stadt. Jeder Besucher wird wohl nach ein paar Tagen
dort unterschreiben, dass Paris für das Vergnügen erschaffen wurde.
Was die Einwohner allerdings angesichts horrender Mieten, dem
überlasteten Nahverkehr und anderen Metropolenkrankheiten mit
einem Stirnrunzeln quittieren. (Und zu allem Überluss verstopfen
jährlich über zwanzig Millionen Touristen die Straßen.)
Deswegen vibriert Paris das ganze Jahr über. Im Frühling jedoch
fängt die Luft an zu lirren. Ihren Beinamen als »Stadt der Liebe«
bekam sie nicht ganz zu Unrecht verliehen. Nirgendwo anders ge-
lang es so formvollendet, die Ausschweifung, die dumpfen Trie-
be durch Kultur zu bändigen. Die Folies Bergère oder das Moulin
Rouge waren zu keiner Zeit hemmungslos plumpe Strip-Schuppen,
sondern delikate Sinnentempel und Varieté-Theater. Die zahllo-
sen Boulevardtheater boten nie dumpfe Zoten, sondern ebenso
leichtfüßige wie zweideutige Konversationskomödien. Überhaupt
möchte man meinen, der Ehebruch wäre hier erfunden worden.
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