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das Zünglein an der Waage, eine Position, die sie vor allem beim Umweltschutz
mal mehr, mal weniger geschickt nutzten.
Ab und zu schaffen es auch einzelne Unabhängige mit hohem politischem
Profil, ein Direktmandat zu gewinnen. Oft haben sich diese Politiker vorher in
den traditionellen Parteien einen Namen gemacht oder sind in der Lokalpolitik
aufgestiegen. Oder sie sind Multimillionäre wie Clive Palmer, die es sich leisten
können, eine eigene Partei zu gründen und einen Wahlkampf zu finanzieren.
Die zunehmende Zahl der Unabhängigen spricht die wachsende Zahl der Aus-
tralier an, die von den großen Parteien und dem »Kindergarten in Canberra«,
wie das Bundesparlament oft genannt wird, enttäuscht sind.
Australische Parlamentsdebatten sind stark antagonistisch. Hier geht es um
Angriff und Verteidigung, Kompromisse sind nicht vorgesehen. Den in den De-
battierclubs der Schulen und Universitäten geschulten Politikern scheint es in
der Hauptsache darum zu gehen, Punkte zu gewinnen anstatt die Australier von
ihrer Politik zu überzeugen. Politische Substanz und echtes politisches Engage-
ment sind deshalb im Parlament selten zu finden. Zynismus und dumme Belei-
digungen, die manchmal fast automatisch, ohne viel Überzeugung ausgestoßen
werden, kommen vielleicht bei den parlamentarischen Kollegen und dem insu-
laren Pressekorps im Bundesparlament an, aber nicht bei den Durchschnitts-
wählern.
Besonders bitter war das während der Regierungszeit der ersten weiblichen
Premierministerin Australiens, Julia Gillard. Sie wurde nicht nur als Politike-
rin, sondern vor allem als Frau angegriffen, was sie zu einer brillanten Rede ge-
gen Frauenfeindlichkeit provozierte. Die Rede wurde über das Internet ein in-
ternationaler Hit. Die australischen Medien berichteten kaum.
»Trau keinem Politiker« kann man immer wieder hören, und alle Umste-
henden nicken resigniert dazu. In den 1980er und 1990er Jahren war das an-
ders. Da raffte sich meist einer aus der Gesprächsrunde auf und sagte: »Aber
Hawkie (Labor-Premierminster) ist ganz gut« oder »Johnnie Howard (konser-
vativer Premierminister) ist okay«. Doch das findet sich heute selten. Das An-
sehen von Politikern hat bei den ohnehin respektlosen Australiern einen Tief-
punkt erreicht. Die letzten Wahlkämpfe voller Floskeln und Vitriol auf allen Sei-
ten, parteiinterne Machtkämpfe, politische Korruption, die ein Richter mit dem
berüchtigten Rumkorps verglich, und das Versagen der Medien haben zu einer
weitgehenden Politikverdrossenheit geführt.
Die Fronten zwischen den australischen Parteien haben sich verhärtet, dabei
trennt sie in Wirklichkeit weniger denn je. Labor und Liberals vertreten beide
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