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von Bedeutung. Dunkelrot glüht der Felsen in der untergehenden Sonne. Im
verblassenden Licht spielen Schatten über seine Flanken, lassen ihn wirken wie
ein sprungbereites Tier.
26. Oktober 1985: Auf dem staubigen Platz der kleinen Siedlung zu Füßen
Ulurus campen um die 2000 Menschen. Die offizielle Zeremonie zur Rückgabe
des Monolithen an seine Traditional Owners ist vorbei. Die meisten Politiker
haben sich auf den langen Heimweg gemacht. Nun tanzt eine Gruppe Frauen,
begleitet von Gesang und dem Klicken der Schlaghölzer. Ihre Körper sind mit
weißen und roten Streifen bemalt. Weiße Federn schmücken ihre Haare und
Handgelenke. In einer langen, sich windenden Reihe tanzen die Frauen mit
kleinen, sorgfältig aufeinander abgestimmten Schritten und komplizierten
Armbewegungen auf die Zuschauer zu. Es ist heiß und eng, die Luft angerei-
chert mit Gerüchen: Holzkohle, Schweiß, Tabak und Rasierwasser. Hinter mir
sitzen mehrere Reporter australischer Zeitungen und die weißen Berater der
Aborigines mit ihren Familien. Die Fotografen fluchen. Es ist ihnen nicht er-
laubt, während des Tanzes herumzulaufen. Ein alter Aborigine hockt gelassen
und offenbar bequem in der Gruppe der Männer gegenüber. Sie tragen Jeans
und karierte, langärmelige Hemden, haben die Cowboyhüte tief in die Stirn ge-
zogenen. Kinder und Hunde toben zwischen ihnen und den Frauen herum. Die
sitzen säuberlich von den Männern getrennt auf der anderen Seite des Platzes.
Aufmerksam folgen sie dem Tanz der traditionellen Hüterinnen einer heiligen
Stätte am Uluru, die einen Teil ihres Dreamings , die Geschichte der Kunia, er-
zählen.
In der »Traumzeit«, so die Geschichte der Kunia, war Uluru noch ein unge-
formte Sanddüne. Dort lebten die Pytonschlangenmenschen neben einem Was-
serloch. Die langen Rillen, die man heute oben auf dem Felsen sehen kann, sind
die Pfade der Kunia. Das Geröll um das heute noch im Schatten des Felsens ge-
legene Wasserloch sind die Kunia selbst, erzählen die alten Damen. Eines Ta-
ges griffen die Liru, die Giftschlangenmenschen, die Kunia an. Die schreckliche
Schlacht zwischen den beiden Völkern hinterließ Spuren auf dem Felsen, die die
Aborigines heute noch erkennen: tiefe Löcher und klaffende Felsspalten. Über-
all am Felsen gibt es heilige Stätten. Viele sind nur Männern oder nur Frau-
en zugänglich, andere dürfen nur von ihren initiierten Hütern besucht werden.
Der Geist der Vorfahren ist in den heiligen Stätten gegenwärtig und wird durch
die Zeremonie aktiviert. Er ist Teil des Landes, für das die Frauen verantwort-
lich sind. Wie das vor sich gehen kann, beschrieb die Anthropologin Deborah
Rose in einem Gespräch mit mir. Sie hatte eine Frauenzeremonie beobachtet:
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