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dass sie nichts mit Sträflingen zu tun hatten. Sie waren freie Siedler, die Geld
für ihr neues Land bezahlt hatten oder es über mehrere Jahre mit Arbeit ab-
bezahlten. Die Kolonialverwaltung hielt viel auf Ansehen und Ordnung, sie bot
aber den neuen Siedlern auch Religionsfreiheit und mehr persönliche Freiheit
als damals in Europa üblich. Das zog besonders viele deutsche Lutheraner aus
Preußen an. Ganze Bauerngemeinden wanderten mit ihren Pastoren nach Süd-
australien aus und gründeten Gemeinden wie Langmeil, damals oft das »Berlin
Australiens« genannt, Hahndorf, Lobetal und Sommerfeld. Die deutschen Ein-
wanderer brachten die Kunst des Bierbrauens und Weinreben mit in die neue
Heimat.
Heute gibt es eine Vielzahl australischer Biersorten. Die Biere kleinerer
Brauereien in Tasmanien und Südaustralien sind besonders gut. Australische
Weine sind weltweit bekannt. Die deutschen Einwanderer waren maßgeblich
am Aufbau des Weinbaus beteiligt. Die Familie Seppelt gehörte zu den ersten
Weinpionieren. Sie kam 1849 nach Australien. Die Henschkes, die Weinfamilie
Thumm, Karl Samuel Schiller aus Langmeil und später Wolf Blass ließen sich
im Barossa Valley nieder, wo sie erdige, würzige, aber gleichzeitig samtige Rot-
weine kreierten. Heute ziehen sich in den Hügeln um Adelaide, im Barossa Val-
ley und im McLaren Vale Weinberge bis an den Horizont. Dazwischen kann
man gemütliche Restaurants, Cafés und Bed-and-Breakfast-Pensionen entde-
cken. Vielerorts gibt es auf den Speisekarten Sauerkraut und Bratwurst, und bei
großen Festen sieht man mehr Lederhosen und Dirndl als in Bayern, auch wenn
die meisten Einwanderer ursprünglich gar nicht von dort kamen. Selbst vor der
Blasmusik gibt es kein Entkommen.
Viele der älteren Deutschaustralier haben sich einen ganz spezifischen und
deutlich deutschen Akzent bewahrt, selbst wenn sie schon in Australien gebo-
ren wurden. »Deutsche Tradition« ist dort eher das, was man sich in Austra-
lien unter »deutsch« vorstellt: Jodelgesänge, viel Bier und Wein und kräfti-
ges Schunkeln. Als ich als junge Journalistin zum ersten Mal das Barossa Val-
ley besuchte, wurde ich gleich gefragt, ob ich mich nicht in mein Dirndl stür-
zen und der Trachtengruppe anschließen wolle. Verdutzt sagte ich: »Ich habe
kein Dirndl, ich komme aus Köln, nicht aus Bayern.« Der alte Herr in Lederho-
sen sah mich nun seinerseits verwirrt an und meinte: »Na und? Bist doch aus
Deutschland, oder?«
Italiener, Spanier, Franzosen und Kroaten brachten ihre Weinkenntnisse vor
allem nach dem Zweiten Weltkrieg mit nach Australien. Wein ist ein wichti-
ges Exportgut geworden. Sehr gute Rotweine aus Shirazreben werden heute
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