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Melbourne wurde eine reiche Stadt, die sich sorgfältig geplante Straßenzüge, öf-
fentliche Prestigebauten, Brunnen, Parks und prächtige Villen und Häuser im
britischen Stil leisten konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zahlreiche
Einwanderer aus Italien und Griechenland. Heute sind in der Stadt rund 140
Nationen und ethnische Gruppen vertreten. Als Europäerin fühlte ich mich an-
fangs in Melbourne eher zuhause. Es gab dort schon Straßencafés mit gutem
Kaffee, als Sydneys einzige Espressomaschine im winzigen Café eines italieni-
schen Boxers Überstunden machte und Stühle und Tische noch von der Polizei
von den Bürgersteigen geräumt wurden. Das änderte sich übrigens erst im Vor-
lauf der Olympischen Spiele in Sydney 2000.
Melbourne ist heute das Mekka der Liebhaber feiner australischer Küche.
Hier kann man in luxuriös ausgestatteten Restaurants in Traditionshotels wie
dem Windsor speisen oder in coolen kleinen Bars oder Restaurants und Stra-
ßencafés in den überdachten, eleganten Arkaden und engen Laneways der In-
nenstadt oder in den Stadtteilen Southbank, Fitzroy, Carlton, Richmond oder
St. Kilda.
St. Kilda hat eine ganz besondere Atmosphäre, es ist eine Mischung aus Rot-
lichtviertel und Villenvorort, mit dichtbewachsenen Alleen, einer palmenge-
säumten Strandpromenade und einem altmodischen, hölzernen Pier, das tief in
die weite Bucht von St. Kilda hineinragt. Acland Street ist ein Paradies für Lieb-
haber von Büchern, Kuchen, Schokoladenkonfekt und Eiscreme. Die Dekorati-
on und Ausstattung einiger der kleinen Cafés stammt noch aus den 1930er bis
1950er Jahren, als jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich, Polen und
Ungarn in St. Kilda kleine Geschäfte eröffneten. Die Cafés sind lang und eng mit
kleinen Sitzbänken, laminierten Tischen, Spitzendeckchen und schmalen Blu-
menvasen. In den Schaufenstern und hinter der abgerundeten Theke stapeln
sich Rodonkuchen, Plätzchen, Hefeteilchen, Schweineohren, Apfelstrudel und
Buttercremetorten. Den Kaffee mit einem tüchtigen Schuss Alkohol krönt eine
dicke Sahnehaube. Acland Street ist die beste Straße für einen guten Nachtisch
nach einem leichten japanischen Gericht um die Ecke oder Tapas oder ein paar
Austern in einem der Restaurants an der Strandpromenade.
St. Kilda ist auch der Wohnort einer modernen literarischen Figur Austra-
liens, der Detektivin Phryne Fisher. Die intelligenten und mit viel Witz ge-
schriebenen Geschichten Kerry Greenwoods spielen in den 1920er Jahren, und
St. Kilda besitzt noch viel leicht schäbigen Art-Deco-Charme aus dieser Zeit.
Wer beim Spazierengehen auf der Promenade und am alten Pier einen starken
Fischgeruch bemerkt, sollte nicht Reißaus nehmen, sondern einmal zwischen
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