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Kapitel 14
Fuzzy-Mengen und Fuzzy-Logik
14.1 Natürliche Sprache und formale Modelle
Die klassische Mathematik basiert auf der Grundannahme, dass allen formal-logi-
schen Aussagen immer einer der beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch zugeord-
net werden kann. Sofern sich ein formales Modell für eine zu bearbeitende Aufgabe
angeben lässt, stellt die gewöhnliche Mathematik mächtige Werkzeuge zur Problem-
lösung bereit. Die Beschreibung eines formalen Modells geschieht in einer Termino-
logie, die sehr viel strikteren Regeln folgt als die natürliche Umgangssprache. Auch
wenn die formale Spezifikation häufig mit großemAufwand verbunden ist, so lassen
sich durch sie Missinterpretationen vermeiden. Außerdem können im Rahmen eines
formalenModells Vermutungen bewiesen oder bisher unbekannte Zusammenhänge
abgeleitet werden.
Trotzdem spi e l en im a l l tägl i chen Leben forma l e Mode l l e be i der Kommunika t i -
on zwischen Menschen im Prinzip keine Rolle. Der Mensch ist in der Lage, natürlich-
sprachliche Informationen hervorragend zu verarbeiten, ohne überhaupt an eine For-
malisierung der Gegebenheiten zu denken. Beispielsweise kann ein Mensch den Rat,
beim langsamen Anfahren nur wenig Gas zu geben, direkt in die Praxis umsetzen.
Soll das langsame Anfahren automatisiert werden, so ist zunächst nicht klar, wie die-
ser Hinweis konkret umgesetzt werden kann. Eine konkrete Angabe in Form eines
eindeutigen Wertes — etwa: drücke das Gaspedal mit einer Geschwindigkeit von ei-
nem Zentimeter pro Sekunde herunter — wird bei einer Automatisierung benötigt.
Umgekehrt kann der Mensch mit dieser Information wenig anfangen.
Üblicherweise wird daher die Automatisierung eines Vorgangs nicht auf „gu-
te Ratschläge“ aus heuristischem oder Erfahrungswissen gestützt, sondern auf der
Grundlage eines formalenModells des technischen oder physikalischen Systems vor-
genommen. Diese Vorgehensweise ist sicherlich sinnvoll,
insbesondere dann,
wenn sich ein gutes Modell angeben lässt.
Ein völlig anderer Ansatz besteht darin, das umgangssprachlich formulierte Wis-
sen direkt für den Entwurf der Automatisierung zu nutzen. Ein Hauptproblemdabei
ist die Umsetzung verbaler Beschreibungen in konkrete Werte, z. B. die oben erwähn-
te Zuordnung von „ein wenig Gas geben“ und demHerunterdrücken des Gaspedals
mit einer Geschwindigkeit von einem Zentimeter pro Sekunde.
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