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Die Provinz als
Inspirationsquelle
den großen Gesellschaftsromanen und
den »Wanderungen« widmen, die zwi-
schen 1859 und 1893 erschienen und
dem Land ein literarisches Denkmal
gesetzt haben, das noch heute allge-
genwärtig ist.
Für viele seiner Schriftstellerkollegen
war Brandenburg stattdessen Ort des
Rückzugs und der Muße. Als in Berlin
um 1800 die Salonkultur um Persön-
lichkeiten wie Rahel Levin und Hen-
riette Herz aufblühte, verwandelten
sich viele Adelssitze in der Provinz wie
Kunersdorf, Friedersdorf, Alt-Madlitz
oder Nennhausen zu märkischen Mu-
senhöfen (s. S. 208). Welch wichtige
Rolle die kleine Welt der Provinz im
Gegensatz zur Metropole Berlin auch
im 20. Jh. spielte, lässt sich beim Besuch
der vielen literarischen Gedenkstätten
nachvollziehen, die sich über die Mark
verteilen.
Das erste von vielen guten Beispie-
len dieser Art ist das Gerhart-Haupt-
mann-Museum in Erkner, wo der
Schriftsteller die Atmosphäre des Orts
einfing, als er hier von 1885 bis 1889
in der Villa Lassen wohnte. In Rheins-
berg erinnert das Kurt-Tucholsky-
Literaturmuseum daran, dass der Au-
tor hier 1911 mit seiner Jugendliebe
Else glückliche Tage verlebte und das
Städtchen mit seinem Werk »Rheins-
berg. Ein Bilderbuch für Verliebte« der
Vergessenheit entriss. Und während
das Ehm-Welk-Museum in Anger-
münde veranschaulicht, wie der 1884
in Biesenbrow geborene Ehm Welk
Land und Leuten der Uckermark mit
Werken wie »Die Heiden von Kumme-
row« ein bleibendes Denkmal gesetzt
hat, lässt sich in Bohsdorf bei Sprem-
berg noch der Krämerladen besichti-
gen, der Schauplatz der Romantrilogie
»Der Laden« von Erwin Strittmatter
war. Besonders prominente Sommer-
frischler erholten sich zeitweise in
Buckow in der Märkischen Schweiz:
Mit Blick auf den Schermützelsee ent-
Vom Minnesang zu
Heinrich von Kleist
Dabei wird leicht übersehen, wie viele
sich schon vor ihm in Brandenburg
schriftstellerisch betätigten. Die frü-
hesten Zeugnisse märkischer Literatur
stammen aus der Zeit der Askanier, an
deren Höfen Dichtung und Musik im
Zeichen des mittelalterlichen Minne-
sangs gepflegt wurden. Später gab die
1506 gegründete Universität von Frank-
furt/Oder der Literatur neuen Auf-
trieb. Einer ihrer Studenten, Ulrich
Hutten, verfasste hier u. a. ein »Lied
zum Preise der Mark«. Im 17. Jh. dich-
tete Paul Gerhardt als Probst in Mit-
tenwalde und Lübben seine berühm-
ten Kirchenlieder, die noch heute ihren
festen Platz in den Gesangbüchern ha-
ben. Weltrang erreichte die branden-
burgische Literatur aber vor allem mit
Heinrich von Kleist. 1777 in Frankfurt/
Oder geboren, trat er als 14-Jähriger in
das Garderegiment in Potsdam ein und
bat 1799 um seine Entlassung, um Ma-
thematik zu studieren. Wenn er sich
später schriftstellerisch mit seiner Hei-
mat auseinandersetzt, geht es in Wer-
ken wie »Michael Kohlhaas« oder »Der
Prinz von Homburg« vor allem um exis-
tenzielle Fragen wie den Konflikt zwi-
schen Staat und Individuum. Dabei be-
zieht Kleist auch politisch Stellung und
tritt z. B. für den Freiheitskampf gegen
die Franzosen ein. Einblick in Leben und
Werk des Schriftstellers, dessen 200.
Todestag 2011 begangen wurde, gibt
das Kleist-Museum in Frankfurt/Oder.
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