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Schon vor 200 Jahren entdeckten die
Städter den Charme der brandenburgi-
schen Provinz und ließen sich von der
Landschaft, der Ruhe und Abgeschie-
denheit fernab der Metropole inspirie-
ren. Während in Berlin um 1800 die Sa-
lons der gebildeten Jüdinnen Rahel
Varnhagen oder Henriette Herz ihre
Blütezeit erlebten, versammelten Ad-
lige auf ihren Landsitzen Schriftsteller,
Künstler und Wissenschaftler um sich.
Kunersdorf den dortigen Herrensitz
schenkte. 1811 erwarb ihn der preußi-
sche Staat zurück und machte ihn 1814
dem Staatskanzler Karl August Fürst
von Hardenberg zum Geschenk. Mit
ihm sollten »Urbanität, Grazie und Le-
bensgefühl« in der Provinz einziehen.
Dazu ließ von Hardenberg Schinkel um
1821 den spätbarocken Landsitz in ein
elegantes, klassizistisches Palais ver-
wandeln. Im Mittelpunkt stand der re-
präsentative Gartensaal, dessen große
Fenster den Blick auf den dahinter lie-
genden Park frei gaben. Durch ihn
wurde die Schlossanlage samt Kavalier-
häusern, Orangerie und Wirtschaftsge-
bäuden zu einem Gesamtkunstwerk.
Peter
Joseph Lenné legte den Park unter Mit-
wirkung von Hermann Fürst von Pück-
ler-Muskau im Stil englischer Land-
schaftsgärten an. Sichtachsen verbin-
den das Schloss mit Elementen wie dem
Marmordenkmal für Friedrich den Gro-
ßen, das sich in einem kleinen See spie-
gelt. Von dem Luccheser Bildhauer Giu-
seppe Martini geschaffen, zeigt es den
Kriegsgott Mars und die Göttin der
Künste und Wissenschaft, die an einer
Säule um die Urne des verstorbenen
Königs trauern. Besonderes Kleinod ist
die Schinkelkirche (Di-Sa 10-18, So
10.30-18, Nov.-März nur Sa, So 10-12
Uhr). Schon vor dem Umbau des Her-
renhauses hatte Schinkel den Auftrag
erhalten, das nach einem Brand 1801
zerstörte Dorf Quilitz wieder aufzu-
bauen. In dem Zusammenhang ent-
stand auch die Dorfkirche neu, zwi-
schen 1814 und 1817 wurde sie zum
klassizistischen Putzbau vollendet. Im
Inneren empfängt den Besucher eine
freundliche Emporenhalle mit runder
Apsis, Blickfang ist die berühmte Decke
mit blauem Sternenhimmel, im Altar
fand das Herz des früheren Staatskanz-
lers seine letzte Ruhestätte.
Renaissance der Musenhöfe
Heute gibt es hier und da Versuche, an
die Tradition jener Musenhöfe anzu-
knüpfen. In Kunersdorf fühlt sich ein
kleiner Verlag dem ideellen Erbe des
zerstörten Musenhofs verpflichtet und
veranstaltet hier und da Lesungen
oder andere Begegnungen. Schloss
Wiepersdorf, das bereits zu DDR-Zei-
ten als Arbeits- und Erholungsstätte
für Autoren wie Anna Seghers oder Ar-
nold Zweig diente, ist weiterhin für Sti-
pendiaten offen. Doch kein Ort kommt
heute der ursprünglichen Idee des Mu-
senhofs so nah wie Schloss Neuhar-
denberg. Auch wenn der Landsitz von
Hardenbergs nie ein Musenhof im en-
geren Sinne war - an Debatten wird es
in der Residenz des z. T. umstrittenen
preußischen Reformers nicht gefehlt
haben. Und heute treffen sich hier re-
gelmäßig Intellektuelle, Künstler und
Philosophen sowie Menschen aus Me-
dien und Politik zum interdisziplinären
Gedankenaustausch, oft von Konzer-
ten, Ausstellungen und anderen Ver-
anstaltungen begleitet.
Ein klassizistisches
Gesamtkunstwerk
1348 unter dem Namen Quilitz erst-
mals urkundlich erwähnt, residierte
hier im 18. Jh. der Oberstleutnant von
Prittwitz, dem Friedrich der Große 1759
für seine Verdienste in der Schlacht von
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