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Ein Forum für neue Gedanken
Jahrhundertelang blieb das Schloss im
Besitz der Familie von Hardenberg - bis
die Geschichte ein tragisches Ende
nahm. Carl-Hans Graf von Hardenberg,
ein Nachfahre des früheren Besitzers,
war an dem gescheiterten Attentat auf
Adolf Hitler beteiligt und wurde
daraufhin von der Gestapo im KZ Sach-
senhausen interniert. Nach Kriegsende
wurde aus Neuhardenberg das sozia-
listische Musterdorf Marxwalde, das
zeitweise als Schule genutzte Schloss
bot einen traurigen Anblick. Zu neuem
Glanz verhalf ihm nach der Wende
durch aufwendige Sanierung sein
neuer Eigentümer, der Deutsche Spar-
kassen- und Giroverband. In der Re-
mise und dem westlichen Kavalierhaus
ist ein edler Hotelbetrieb eingezogen,
in der Kleinen Orangerie ein Gourmet-
restaurant, in der ehemaligen Brenne-
rei ein Bistro mit märkischer Küche.
Doch beseelt wird das Gebäudeensem-
ble erst durch das hochkarätige Kul-
turprogramm. Die Stiftung Schloss
Neuhardenberg holt nicht einfach nur
Prominente wie Gidon Kremer, den
ehemaligen spanischen Ministerpräsi-
denten Felipe González oder die Men-
schenrechtlerin Mary Robinson in die
Provinz. Die Veranstaltungen stehen in
einem thematischen Rahmen, nehmen
auf den geschichtsträchtigen Ort Neu-
hardenberg nahe der deutsch-polni-
schen Grenze und den früheren streit-
baren Schlossbesitzer Bezug. Nicht um-
sonst steht das Programm unter dem
Kuratorium von Ministerpräsident
Matthias Platzeck, dem Bundesbeauf-
tragten für Kultur Bernd Neumann
und dem Vize-Außenminister der Isla-
mischen Republik Iran, Dr. Ali Ahani.
Ihr Anliegen ist es, hier ein Forum für
schon einmal Gedachtes und Nicht-Ge-
dachtes, Unausgesprochenes und Un-
erhörtes zu schaffen, das im aufgereg-
ten Betrieb der Metropole untergeht.
Dass es dabei zuweilen auch ganz un-
verkrampft und ausgelassen zugeht,
kann man bei der alljährlich im Mai
stattfindenden Neuhardenberg-Nacht
erleben, wo Performances, Panto-
mime, Varieté, Trommelwirbel und
Feuerwerk die stille Provinz aufmi-
schen.
Weitere Musenhöfe
Schloss Neuhardenberg ist nur ein Bei-
spiel von vielen Musenhöfen in ganz
Brandenburg. Interessierte Besucher
können immer wieder Orte entdecken,
die sich in früheren Jahrhunderten den
Künsten und Wissenschaften ver-
schrieben haben.
In Kunersdorf waren häufig Wil-
helm und Alexander von Humboldt,
die Bildhauer Schadow und Christian
Daniel Rauch zu Gast bei der vielbe-
wunderten Frau von Friedland, Adal-
bert von Chamisso verfasste hier sogar
1813 »Peter Schlemihls wundersame
Geschichte«. Ähnliche Zusammen-
künfte fanden auf dem benachbarten
Gut Friedersdorf statt, wo Alexander
von Marwitz das Ehepaar Varnhagen
oder den Philosophen Schleiermacher
empfing. Nicht weit davon entfernt,
lud Graf Finck von Finckenstein Fried-
rich und August Schlegel, Brentano,
den romantischen Dichter Ludwig
Tieck und andere Schöngeister zu Mu-
ßestunden auf Schloss Alt Madlitz (s. S.
205). Im Havelland versammelten sich
wiederum Friedrich Schlegel, Chamisso
und andere auf Schloss Nennhausen
(s. S. 125) um den Schriftsteller Baron
de la Motte Fouqué, der hier sein Mär-
chen »Undine« schrieb. Schließlich zo-
gen sich Achim und Bettina von Arnim
in die ländliche Idylle von Schloss Wie-
persdorf (s. S. 137) zurück, wo ver-
schiedene Werke und umfangreiche
Korrespondenzen entstanden.
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