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Einheit ohne Einheitlichkeit
vence-Alpes-Côte d'Azur erreicht sel-
ten Durchschnittswerte, wenn es etwa
um Einkommen oder soziale Struktur
geht. Das Nebeneinander armer, ein-
samer Berggegenden und bevölke-
rungsreicher, wohlhabender Küste be-
stimmt das Bild. So musste die Region
gleichzeitig mit Landflucht in den ent-
legenen Gebieten und einem hohen
Bevölkerungswachstum insgesamt fer-
tig werden. Innerhalb von 30 Jahren
verdoppelte sich die Bevölkerung.
Die da kamen, waren einerseits Ar-
me, vielfach Ausländer, die sich etwa
in Marseille niederließen, andererseits
Wohlhabende, die den Süden als Ar-
beitsplatz oder Wohnsitz seiner Le-
bensqualität wegen wählten. Die tra-
ditionelle Urbanität der Provence hat
dabei noch zugenommen: 80 Prozent
leben in Städten, nur in der Ile de
France sind es noch mehr.
Wenn auch in ganz Frankreich die Re-
gionen den bestehenden Départe-
ments gleichsam übergestülpt wur-
den, handelt es sich bei der Region
Provence-Alpes-Côte d'Azur doch
noch mehr als bei anderen um ein un-
einheitliches Konstrukt. Schon der um-
ständliche Name verrät, dass hier drei
ganz unterschiedliche Landschaften
mit entsprechend verschiedenen Men-
talitäten und Lebensweisen vereint
wurden, anders als etwa bei Norman-
die oder Bretagne. Vor allem die Ge-
biete in den Alpen wollen so gar nicht
zu den noch relativ ähnlichen Partnern
Provence und Côte d'Azur passen.
Selbstredend hat sich im abkür-
zungswütigen Frankreich eine Kurzfor-
mel für die komplizierte Region einge-
bürgert: PACA, ein Kunstwort zwar,
aber eines mit unfreiwilligem Neben-
sinn: Ein pacan ist im Provenzalischen
ein Mensch niederer Herkunft.
So schwingt nicht selten ein gewis-
ser Spott mit, wenn von der Region
die Rede ist, und auch im politischen
Alltag funktioniert PACA nicht so, wie
es wünschenswert wäre. Lange Zeit
charakterisierten Rivalitäten einzelner
Landstriche oder Städte das politische
Leben. Marseille als größte Stadt und
Sitz der Regionalverwaltung genießt
einen zu schlechten Ruf, um von allen
akzeptiert zu werden. Gerade die Bür-
germeister der Côte d'Azur, vornehm-
lich der von Nizza, tanzen traditionell
gern aus der Reihe.
Nationale Statistiken zeichnen die
Zerrissenheit der Region nach: Pro-
Wirtschaft:
Eine Region im Wandel
Viele der Neuankömmlinge hatten kei-
ne Schwierigkeiten, Arbeit zu finden:
Die Region schuf und schafft über-
durchschnittlich viele neue Arbeits-
plätze, oft sehr qualifizierte und hoch-
technisierte. Gleichzeitig liegt sie aber
auch an der Spitze, was Firmen-
schließungen angeht und weist eine
überdurchschnittlich hohe Arbeitslo-
sigkeit auf. Kein Zweifel: Der Struktur-
wandel hat auch in der Provence viele
Verlierer zurückgelassen - meist
schlecht Ausgebildete, und das sind
oft die Alteingesessenen, die zuschau-
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