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Raketen und Plutonium -
womit die Hochprovence ihr Geld verdient
Von allen Orten der Hochprovence ist Ma-
nosque der wirtschaftlich bedeutendste
und verkehrsmäßig am besten angebunde-
ne. Das ist natürlich kein Zufall. Das Tal der
Durance ist ein Nadelöhr, eingezwängt
zwischen dem Plateau von Valensole und
dem Bergland von Forcalquier. Parallel zum
Fluss verlaufen die Eisenbahnlinie, eine Au-
tobahn, eine National- und eine Landstraße
und dazu der Kanal des Stromriesen EDF.
Wer über die kleine Landstraße am Ca-
nal EDF entlang von Manosque nach Ste-
Tulle fährt, kann diese intensive Nutzung
der Landschaft beobachten. Ste-Tulle
selbst, mit einem hübschen Dorfkern, lebt
von der Elektrizität. Zwei Anlagen, eine äl-
tere von 1916 und eine neuere, gewinnen
Strom aus den Fluten der Durance. Bis in
die 1960er Jahre hinein wurde hier auf an-
dere Weise Strom erzeugt: Man verbrannte
Kohle, die ein paar hundert Bergarbeiter im
Becken von Manosque zutage förderten.
Weiter südlich, abgeschirmt am linken
Ufer der Durance, liegt das riesige Centre
d'Etudes Nucléaires de Cadarache, ein
Atomforschungszentrum (größtenteils
der zivilen Nutzung gewidmet), das sich
mit Plutonium beschäftigt, aber auch Solar-
energie erforscht. Das Ensemble umfasst
mehrere hundert Gebäude und rund 20
Nuklearanlagen. Der Standort ist günstig,
weil sich die rund 5000 Mitarbeiter gern im
schönen Manosque ansiedeln oder auch
im nahen Aix.
In Cadarache entsteht der ITER (Interna-
tionaler Thermonuklearer Experimenteller
Reaktor), eines der ehrgeizigsten For-
schungsobjekte der Welt. Im Jahr 2005 be-
schlossen sieben Partner (die Europäische
Union, Japan, Russland, China, USA, Süd-
korea, Indien) den Bau, der rund fünf Milli-
arden Euro kostet. Im Gegensatz zu „her-
kömmlichen“ Atomreaktoren, die Kernspal-
tung betreiben, soll im ITER Kernfusion
stattfinden. Nach dem Vorbild der Sonne
wird dabei Wasserstoff zu Helium ver-
schmolzen. Der ITER soll als erste derartige
Anlage mehr Energie erzeugen, als zum ei-
genen Betrieb benötigt wird. Die techni-
schen Schwierigkeiten sind immens - uner-
messlich aber könnte der Nutzen sein, falls
der Traum eines funktionierenden Fusions-
reaktors Wirklichkeit würde. Denn ein sol-
cher Reaktor kennt das Risiko der Kern-
schmelze nicht, er könnte die Energiepro-
bleme der Menschheit auf relativ ungefähr-
liche und nicht klimaschädliche Art lösen.
Betriebsbereit sein soll der Reaktor 2018 -
die gewerbsmäßige Erzeugung von Strom
mit Fusionsreaktoren erwarten Fachleute
aber erst für die zweite Hälfte unseres Jahr-
hunderts.
Dann gibt es da noch St-Martin-les-
Eaux nordwestlich von Manosque. Auch
dieser kleine Ort ist Bestandteil der natio-
nalen Verteidigung. Wo früher Kohle geför-
dert - damals hieß es noch St-Martin-le-
Charbonnier - und dann die schwefelhalti-
gen Quellen genutzt wurden, lagern heute
unterirdisch die Treibstoffreserven des
Landes. 10 Mio. m 3 , in 300 m Tiefe gut ge-
schützt, könnten den Bedarf Frankreichs
drei Monate lang decken. Über Röhren ist
dieses Lager mit den Raffinerien am Etang
de Berre verbunden.
Es versteht sich, dass dies alles nicht zu-
gänglich ist, ebenso, dass Jean Giono zeitle-
bens dagegen protestierte, und klar ist
auch, dass er erfolglos blieb. So wenig die
stille Hochprovence politischen Einfluss be-
sitzt, so sehr ist sie auch auf Arbeitsplätze
angewiesen. Daher ist es abermals kein Zu-
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