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Village des Bories -
das Dorf der Trockensteinbauten
Nachdem man treppauf, treppab die
gepflasterten Gässchen und die Läd-
chen mit Kunst und Kunsthandwerk
erkundet hat, mag man vielleicht ei-
nen Besuch im Museumsdorf Village
des Bories, das vor Gordes liegt, ma-
chen. Den Namen leitete der Pro-
vence-Dichter Mistral vom mittellatei-
nischen Wort Boria für „Ochsenstall“
oder „Hütte“ ab.
So sind die Bories tatsächlich einfa-
che Häuschen, oft rundlich oder nach
oben spitz zulaufend, aus trockenen,
ohne Mörtel aufeinandergeschichte-
ten Steinen. Kunstvoller als sie auf den
ersten Blick aussieht, ist dabei die
Technik des sogenannten „falschen
Gewölbes“ ohne Verschalung oder
Gerüst: Als Werkzeug einzig den uner-
lässlichen Hammer benutzend, lässt
der Maurer die Reihen der Kragsteine
immer ein wenig enger werden, bis sie
schließlich zum Dach zusammen-
wachsen.
Während Bories auch andernorts,
aber meist einzeln zu finden sind, exis-
tiert hier gleich ein ganzes Dorf dieser
merkwürdigen Bauten. Das Geheim-
nis des Ortes lüftete der Schauspieler
Pierre Viala. 1960 kaufte er ein Stück
Land bei Gordes, wo er im Gewirr ei-
ner wuchernden Vegetation verfallene
Trockensteinbauten entdeckte. Von
1969 bis 1977 dauerte die mühevolle
Restaurierung, erschwert vor allem
durch die Folgen von Erdbeben zwi-
schen 1886 und 1909.
Das Resultat ist dieses Museumsdorf
der Bories mit Gässchen, Umfriedun-
gen und Dreschplätzen im Originalzu-
stand, genauso, wie es um die Mitte
des 19. Jh. verlassen wurde: Es gibt
fünf Wohneinheiten, die sich je um
einen Hof mit Nebengebäuden scha-
ren. So finden sich neben Ställen, Heu-
böden und Vorratskammern noch
Feuerstellen, Wasserbecken, Weintrö-
ge und Backöfen im Inneren der
Wohn-Bories. Wahrscheinlich schlie-
fen die Bewohner auf Bänken, die man
gefunden hat. Allein stehende Bories
dagegen dienten höchstens als zeit-
weilig Herberge, als Kornspeicher
oder Geräteschuppen. Solche finden
sich zum Beispiel auf der Straße von
Gordes nach Sénanque, um Cabrières
d'Avignon und auf der anderen Seite
der N 100 auf dem Plateau des Cla-
parèdes zwischen Bonnieux und Auri-
beau.
Schwieriger zu bestimmen als der
Zweck dieser eigenartigen Hütten ist
die Zeit, aus der sie stammen. Das
Fehlen schriftlicher Quellen erlaubt ei-
ne grob geschätzte Datierung ins 14.
bis 18., wahrscheinlich sogar 19. Jh. Er-
schwert wird die Datierung durch die
Tatsache, dass die mörtellose Bau-
kunst schon für das Neolithikum (ca.
2000 v. Chr.) nachweisbar (Funde im
Languedoc) und dass sie keinesfalls
einzigartig ist, sondern Zeugnisse ihrer
Art im ganzen Süden Frankreichs, im
Mittelmeerraum und selbst in Irland
und Schottland zu finden sind.
Die Bories von Gordes geben noch
viele ungelöste Rätsel auf: Warum nur
bauten die Bewohner des Dorfes ihre
Häuser mit dieser doch reichlich pri-
mitiven Technik? Wer und was waren
 
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