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das eben an diesem Vieux Port: Die
hässliche, hektische, eben die moder-
ne Seite der Metropole lässt sich so
wunderbar ignorieren.
An der schmalsten Stelle des Hafens,
da, wo sich der Übergang aufs offene
Meer andeutet und die Boote unverse-
hens in die grandiose Bucht von Mar-
seille hinausgleiten, liegen sich als
zweifache Wächter die Forts gegen-
über. Im Mittelalter wurde dieser Eng-
pass mit einer gigantischen, aus 226
Gliedern bestehenden Kette versperrt.
Das Fort St-Jean entstand von 1668
an auf Anweisung des Sonnenkönigs.
Die deutschen Sprengungen im Pa-
nier-Viertel 1944 beschädigten es. Aus
dem 15. Jh. stammt die mächtige, ecki-
ge Tour du Roi René, die das Fort
überragt. Von der obersten Plattform
hat man einen wunderbaren Ausblick.
Gegenüber drängt sich auf einem
Felsvorsprung das Fort St-Nicolas,
darüber das Fort d'Entrecasteaux, bei-
de zwischen 1660 und 1668 entstan-
den. Ludwig XIV. veranlasste ihren Bau,
weniger, um den Hafen zu sichern,
denn als Symbol königlicher Macht in
der traditionell aufmüpfigen Stadt. Ei-
gentlich handelt es sich um ein und
dasselbe Fort, die zweifache Bezeich-
nung kaschiert nur die Tatsache, dass
es der Bau des Boulevards Charles
Livon war, der die zusammengehöri-
gen Teile trennte. Überhaupt tut sich
an dieser Stelle wieder die ganze Mi-
sere Marseillaiser Stadtplanung auf.
Den unteren Teil der Anlage, St-Nicho-
las mit seiner begnadeten Lage, hat
die Fremdenlegion in Beschlag ge-
nommen und damit der Öffentlichkeit
versperrt, gleichsam, als habe die
Stadt immer noch nicht Macht gewon-
nen über dieses Symbol zentralisti-
schen Gebietens des Sonnenkönigs.
Tag und Nacht geöffnet ist das An-
werbebüro, rund um die Uhr kann,
wer ein „richtiger Mann“ ist, jung ge-
nug und bereit zu bedingungslosem
Gehorsam, über diese Schwelle in ein
neues Leben eintreten und das alte ab-
streifen wie eine Hülse. Der Preis ist
härtester Drill, völliger Verlust der Frei-
heit und die Aussicht, im Falle eines
Einsatzes ohne Zögern in den Tod ge-
schickt zu werden „pour la France“.
Ernst Jünger schildert in seinem auto-
biografischen Roman „Afrikanische
Spiele“, wie er vor dem Ersten Welt-
krieg hier ankam, abenteuerlustig und
zu allem bereit. Sein Vater holte ihn
schließlich zurück.
Der obere Teil, das Fort d'Entrecas-
teaux, ist trotz seiner herrlichen Ter-
rassen hoch über dem Hafen vernach-
lässigt. Welch eine Bühne für Konzerte
etwa gäbe diese Anlage ab. Seinen
ganzen Reiz entfaltet der Platz, wenn
die Sonne über dem Meer untergeht,
während um das Hafenbecken herum
die Lichter aufflammen.
Was sie am Fort versäumte, holt die
Stadt im Jardin du Pharo nach. Für
diesen noch höheren und weit größe-
ren Felsvorsprung begeisterte sich
Louis Napoléon 1852. Er ließ auf dem
brachliegenden Gelände ein Schloss
errichten, das Château du Pharo. Der
Kaiser bewohnte es nie, so fiel es an
die Stadt, die nun dabei ist, das ganze
Areal umzubauen, unter anderem mit
unterirdischen Sälen.
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