Biology Reference
In-Depth Information
Öffentliches Engagement und neue Wege der
Finanzierung
Wissenschaft hat immer schon etwas Abgehobenes und Undemokratisches gehabt, in lib-
eralen Demokratien ebenso wie in Monarchien oder kommunistischen Staaten. Gegen-
wärtig wird sie eher noch hierarchischer, als sie ohnehin schon war. Im neunzehnten
Jahrhundert gab es noch viele unabhängige Naturforscher, die nicht auf Zuschüsse an-
gewiesen waren und es sich deshalb leisten konnten, provozierend originelle Ansätze zu
verfolgen - Charles Darwin kann hier als Paradebeispiel dienen. Solche Freiheit und Un-
abhängigkeit findet man heute kaum noch. Forschungsmittel werden von Ausschüssen
vergeben, die folglich bestimmen, was erforscht wird und was nicht. Die das Sagen
haben in solchen Gremien, sind politisch versierte ältere Wissenschaftler, Regierungs-
vertreter und die Repräsentanten der Wirtschaft.
2000 ergab eine Regierungsumfrage in Großbritannien zur Haltung der Öffentlichkeit
gegenüber der Wissenschaft diese Mehrheitsmeinung: »Hinter der Wissenschaft steht
die Wirtschaft, letzten Endes geht es um Geld.« Mehr als drei Viertel der Befragten
fanden: »Wichtig ist, dass auch Wissenschaftler da sind, die nicht mit der Wirtschaft
verbandelt sind.« Über zwei Drittel sagten: »Wissenschaftler sollten mehr auf das hören,
was der normale Bürger denkt.« Besorgt über das Ausmaß der Entfremdung, versuchte
die britische Regierung, die Menschen für »einen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik
und Öffentlichkeit« zu gewinnen. [613] In offiziellen Kreisen fand ein Wechsel der Mode
statt: vom bisherigen Informationsmodell zu einem neuen »Beteiligungsmodell«. Das In-
formationsmodell war davon ausgegangen, dass es lediglich ein »Informationsdefizit« zu
beseitigen gab, und zwar einfach durch Aufklärung über die Fakten. Die Wissenschaftler,
so wurde darin unterstellt, würden der Öffentlichkeit die Wahrheit kundtun, und diese
würde sie dankbar aufnehmen. Dummerweise funktionierte das nicht. Man teilte der Öf-
fentlichkeit beispielsweise mit, Rinderwahnsinn sei für den Menschen nicht gefährlich.
Dann war er es auf einmal doch. Dann wurde verbreitet, genmanipulierte Anbauprodukte
seien gut, und viele glaubten das nicht. In ganz Europa begehrten die Menschen gegen
genmanipulierte Nahrungsmittel auf, und die für die Aufklärung der Öffentlichkeit
zuständigen Informationsstrategen konnten es nicht verhindern.
»Beteiligung der Öffentlichkeit« am Wissenschaftsbetrieb bot sich als Lösung an, doch
das war nur neue Rhetorik, während die Praxis im Wesentlichen gleich blieb und auch
die Finanzierung der wissenschaftlichen Forschung weiterging wie zuvor. Gleich blieb
unter diesen Umständen natürlich auch das öffentliche Misstrauen. Und so hat es in den
Search WWH ::




Custom Search