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Placebo und die Macht der Hoffnung
Worauf beruht der Erfolg moderner Arzneimittel - vor allem auf den Mitteln selbst oder
auch auf den Überzeugungen und Erwartungen der Menschen?
Unsere Überzeugungen, Wünsche und Erwartungen können sich - häufig unbewusst
- in der naturwissenschaftlichen und medizinischen Forschung ebenso wie im täglichen
Leben auf unsere Sicht und Deutung der Dinge auswirken. [498] Die experimentell ge-
wonnenen Anhaltspunkte für den Einfluss der Haltung und Erwartung eines Wis-
senschaftlers auf das Ergebnis seiner Experimente sprechen eine sehr deutliche
Sprache. [499] In der experimentellen Psychologie und klinischen Forschung ist man sich
dieser Probleme bewusst, weshalb die Experimente auf diesen Gebieten vielfach nach
dem »Blindverfahren« gestaltet werden.
In der Medizin spielt darüber hinaus auch die Erwartungshaltung der Patienten eine
Rolle, so dass man hier das Doppelblindverfahren anwendet, um sich gegen den Einfluss
von Erwartungen sowohl der Probanden als auch der Experimentatoren abzusichern.
Um ein Beispiel anzuführen: Bei der klinischen Erprobung eines Medikaments nach dem
Doppelblindverfahren bekommen einige der Patienten, die nach dem Zufallsprinzip aus-
gewählt werden, das Medikament in Tablettenform, während andere Patienten gleich
aussehende Placebotabletten einnehmen, die keinerlei Wirkstoff enthalten. Bei diesen
Versuchen möchte man ermitteln, ob das neue Medikament mehr Wirkung zeigt als das
Placebo. Nur wenn das so ist, kann es eine Zulassung bekommen und als wirksame Be-
handlungsmethode beworben werden. Es wissen aber weder die Versuchsleiter noch die
Patienten, wer was bekommt. Bei solchen Versuchsreihen zeigt sich oft beim Placebo
eine ähnliche, wenn auch schwächere Wirkung als beim wirkstoffhaltigen Medikament,
dem sogenannten Verum.
Zu den stärksten Placeboreaktionen kommt es, wenn sowohl die Patienten als auch
die Ärzte glauben, es werde ein hochwirksames neues Medikament getestet. Jedermann
glaubt, es mit einem neuen Wundermittel zu tun zu haben, und in diesem Erwartungsum-
feld wirken die wirkstofffreien Pillen. [500] Diese Placeboreaktion fällt deutlich geringer
aus, wenn der Versuch nicht blind durchgeführt wird, wenn also die Patienten und Ärzte
wissen, wer Placebo und wer Verum bekommt. Weder die Patienten noch die Ärzte
trauen einem Placebo viel Wirkung zu, und dann hat es sie nicht. [501] Das kann sogar bei
Doppelblindversuchen zum ernsten Problem werden. Wenn das Verum deutliche Neben-
wirkungen hat, ahnen Ärzte und Patienten zumindest, wer Verum und wer Placebo er-
hält, und folglich wird sich das durchschaute Placebo als weniger wirksam erweisen,
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