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Gewohnheitsbildung und Sensibilisierung
Wenn Sie einen neuen Laut hören oder einen neuen Geruch kennenlernen, wird er
Ihnen zunächst auffallen, aber wenn es nichts weiter damit auf sich hat, werden Sie ihn
bald nicht mehr bemerken. Die Berührungsempfindung der Kleidung am Körper, den
Gegendruck der Sitzunterlage, das Ticken einer Uhr oder die vielen anderen Hinter-
grundgeräusche ringsum bemerken Sie die meiste Zeit nicht.
Gewohnheit ist eine grundlegende Form von Gedächtnis, Grundlage all unserer Reak-
tionen auf Einflüsse aus der Umwelt. Grundsätzlich bemerken wie Gleichbleibendes eher
nicht, Veränderungen und Kontraste dafür umso deutlicher. Alle unsere Sinne funk-
tionieren nach diesem Prinzip. Wenn Sie etwa den Blick über eine Landschaft sch-
weifen lassen, fallen Ihnen Bewegungen sofort ins Auge. Auch eine Veränderung bei den
Hintergrundgeräuschen fällt Ihnen sofort auf. Diese Art der Wahrnehmung prägt un-
sere gesamte Kultur, weshalb sich Klatsch und Tratsch und die Zeitung eher nicht mit
gleichbleibenden Dingen befassen, sondern lieber mit dem, was heute anders ist, als es
gestern war.
Tiere gewöhnen sich ebenfalls an ihre Umgebung. Sie reagieren auf Neues und Unver-
trautes häufig mit Furcht und Vermeidungsverhalten. Diese Art von Reaktion finden wir
sogar bei einzelligen Organismen wie dem wegen seiner Form so genannten Trompet-
entierchen Stentor , das in Sumpftümpeln lebt und mit feinen fächelnden Wimperhaaren
ausgestattet ist. Die Bewegungen der Härchen erzeugen in der Umgebung des Einzellers
Strömungen, die Schwebeteilchen, welche dem Trompetentierchen als Nahrung dienen
können, in die Trichteröffnung strudeln (Abbildung 12A). Diese Einzeller haften an der
Basis mit einem »Fuß« am Untergrund, und der untere Teil ist von einer schleimartigen
Röhre umgeben. Wenn der Gegenstand, an dem das Trompetentierchen haftet, leicht er-
schüttert wird, zieht es sich blitzschnell in seine Röhre zurück. Wenn nichts geschieht,
dehnt es sich etwa eine halbe Minute später wieder aus, und die Wimperhärchen nehmen
erneut ihre Tätigkeit auf. Wird der gleiche Reiz wiederholt, so reagiert das Trompeten-
tierchen nicht mehr, sondern bleibt bei seiner gewohnten Tätigkeit.
Dass dies nichts mit Ermüdung zu tun hat, zeigt sich, wenn man das Tierchen einem
neuartigen Reiz aussetzt, indem man es zum Beispiel berührt. [364]
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