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Die Genom Wette
Bis 2009 war jedenfalls klar, dass sich viele der Versprechen des Genomprojekts nicht
erfüllt hatten. Zahlreiche Biologen glaubten jedoch immer noch an die prinzipielle
Erklärbarkeit des Organismus anhand seines Genoms. Der renommierte britische Bi-
ologe Lewis Wolpert beispielsweise gab ein vollmundiges Bekenntnis zur Rolle der Gene
und ihrer Erklärungskraft ab, als er verkündete, wir brauchten nur mehr Information
und Computerkapazität, dann »würden wir, etwa bei einer befruchteten menschlichen
Eizelle, alle Züge des Neugeborenen vorhersagen können, auch mögliche Abnormitäten.
Wir würden die Eizelle auch so programmieren können, dass sie jede gewünschte Gestalt
annimmt. Die Zeit, in der dies möglich ist, wird kommen.« [307]
Ein paar Monate später kamen Wolpert und ich zum Abschluss des Cambridge
University Science Festival 2009 zusammen, um über »Die Natur des Lebens« zu disku-
tieren. [308] Wolpert bekräftigte seinen Glauben an die Vorhersagekraft des Genoms,
woraufhin ich ihm eine Wette anbot. Ich sagte, ich würde darauf setzen, dass sich seine
Voraussage nicht in zehn und auch nicht in zwanzig Jahren bewahrheitet. Er überlegte
einen Augenblick und sagte dann, es könne auch noch hundert Jahre dauern. Das war
natürlich keine Voraussage, die sich zu unseren Lebzeiten überprüfen ließe. Nach der
öffentlichen Debatte setzten wir unser Gespräch unter vier Augen fort, und ich fragte
ihn, was denn nach seiner Einschätzung innerhalb von zwanzig Jahren zu erreichen sei.
Zunächst überlegte er, ob es wohl möglich sein könne, eine Maus in allen Einzelheiten
aus ihrem Genom abzuleiten. Nach weiteren Überlegungen entschloss er sich zu mehr
Vorsicht und gelangte in mehreren Schritten über Hühner und Frösche schließlich zu
Nematoden, Würmern. So fanden wir schließlich zu einem gemeinsamen Text für unsere
Wette, der im Juli 2009 im New Scientist erschien. [309] Einsatz ist eine Kiste Portwein
Quinta do Vesuvio 2005, die wir beide zur Hälfte bezahlten und die in den Kellern der
Wine Society bei London gelagert wird. Die Experten sagen diesem Wein seine vollen-
dete Reife im Jahr 2029 voraus. Und so lautet die Wette:
Bis zum 1. Mai 2029 werden wir anhand der befruchteten Eizelle eines Tieres oder
einer Pflanze in mindestens einem Fall sämtliche Einzelheiten des Organismus
vorhersagen können, der sich aus dieser Eizelle entwickelt, einschließlich eventueller
Abnormitäten.
Wolpert wettet, dass es so sein wird. Ich wette dagegen. Sollte das Ergebnis nicht klar
ersichtlich sein, wird die Royal Society um einen Schiedsspruch ersucht.
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