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Vom ersten Umgang mit Japanern oder Die Laute des Erstaunens
Tokio, das ist eine Klasse für sich. Als Weltmetropole ähnelt Japans Hauptstadt zwar durchaus New York
oder Paris - vom Rest des Landes unterscheidet sie sich jedoch sehr. Das wahre Japan habe ich Jahre vor
meinem Einsatz in Tokio bei einem Studienjahr in einer gottverlassenen Stadt auf dem Land kennengelernt.
InFukuiwareszwarnichtsonderlichurban,dafürpassiertenaberumsoskurrilereDinge.DerAufenthaltim
ländlich-traditionellen Japan hat mir auch Gelegenheit gegeben, mich an die indirekte Ausdrucksweise der
Japaner zu gewöhnen - die Laute des Erstaunens.
Tokio, 2009
»Mayer-san kann das nicht essen«, erklärte Yamahira-san und zog mir den Topf weg. Ich hatte mir gerade
vonderSuppenehmenwollen.»DasindEingeweidedrin«,erklärteerdenanderenvierJapanern.»Deutsche
mögen so was nicht.«
Ich machte einen enttäuschten Laut, während er mir den Griff zu der Tonschale mit schiefem Blick ver-
wehrte. Eigentlich mochte ich Motsuni, eine dickflüssige Suppe aus Innereien. Ich verkniff mir meinen
Protest jedoch. Yamahira-san war fünfundzwanzig Jahre älter als ich. Wenn ich jetzt darauf bestanden hätte,
eben doch Darm und Niere zu mögen, dann würde er vor den anderen Japanern das Gesicht verlieren. Herr
Yamahira hatte in Holland gearbeitet und galt als Experte für Europäer.
Ich nickte also höflich, gab die Innereien auf und wollte mir stattdessen ein Scheibchen Sashimi von der
Platte mit dem rohen Fisch nehmen.
»Sei vorsichtig«, ermahnte mich Yamahira-san. »Du hast dir da ausgerechnet rohen Seeigel heraus-
gepickt.«
Auf genau den hatte ich es ja abgesehen. Glücklicherweise konnte ich rechtzeitig eines der schaumigen
Scheibchen mit den Stäbchen aufpicken, bevor mir Yamahira-san die Schale wegzog.
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