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Der »Status quo« ist indes alles andere als statisch, sondern
immer wieder Thema heftiger Debatten und in regelmäßigen
Abständen die Ursache einer Koalitionskrise. Natürlich wollen
die religiösen Parteien im Interesse ihrer Klientel ihren
Einflußbereich ausbauen und kämpfen etwa gegen den Import
von nichtkoscherem Fleisch. Koscher wird genannt, was den
religiösen Speisevorschriften entspricht. Und die säkularen
Kräfte von links bis rechts - in Israel bedeutet politisch rechts
nicht unbedingt religiös, umgekehrt stimmt das eher: meist
stehen die religiösen Parteien politisch rechts - versuchen
ebenso hartnäckig ihren Spielraum zu erweitern.
Man könnte diesen Kampf durchaus einen »Kulturkampf«
nennen. Es geht um die Frage, welchen Einfluß die Religion in
einem Staat hat, der sich in seiner Unabhängigkeitserklärung
»jüdisch« nennt. Der Glaube hat diese Nation über Jahrhunderte,
in denen sie keinen Staat hatte, zusammengehalten, deshalb ist
die Trennung zwischen Staat und Religion bis heute nicht
gelungen. Doch spielt der Glaube im Alltag Israels eine immer
geringere Rolle. Im Grunde genommen ist dies eine Debatte
über das zukünftige Israel. Wird Israel ein ganz normaler
demokratischer Staat ohne Sonderrechte für eine Bevölkerungs-
gruppe, die Juden, die das Vorrecht genießen aus aller Herren
Länder einwandern und Bürger dieses Staates werden zu dürfen,
oder bleibt Israel die Heimstätte für Juden, wo auch immer sie
leben?
Das ist eine Frage von ungeheurer Brisanz. Derzeit beschränkt
sie sich auf eine eher akademische Diskussion über Israel selbst
und seine Beziehunge n zur Diaspora in den Universitäten und
auf den hinteren Seiten der Zeitungen. Dort erregt sie die Ge-
müter, nicht auf den Straßen - wo eigentlich ganz pragmatisch
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