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regnerischen Winter durch das Dach tropft. Israelische
Handwerker scheinen nach dem Motto »Nur nichts zu genau
nehmen« zu arbeiten. Die Folgen spürt dann der Bewohner einer
solchen Wohnung, weil dort etwas klemmt und da etwas nicht
paßt. Nicht, daß der Pfusch am Bau böse Absicht wäre, nein, es
ist einfach eine gewisse Nachlässigkeit, der jedes Streben nach
Perfektion abgeht. Wozu nach einem Schraubenzieher fahnden,
wenn die Schraube auch mit einem Hammer in die richtige
Stellung gebracht werden kann? In dieser Hinsicht, das sei
tröstend zugestanden, unterscheiden sich Tel Aviv und
Jerusalem nicht.
Das hektische, nervöse, mediterrane Tel Aviv ist das
Nervenzentrum des Staates Israel, dessen Herz in Jerusalem
schlägt. Das milde Mittelmeerklima von Tel Aviv nimmt zudem
dem Konflikt mit den Palästinensern die Schärfe, mit der dieser
in und wegen Jerusalem ausgetragen wird. Zu den schlimmsten
Zeiten des Palästinenseraufstandes Intifada Ende der achtziger
Jahre schien Tel Aviv auf einem anderen Planeten zu liegen.
Das Westjordanland, wo Steine flogen und scharf geschossen
wurde, ist keine dreißig Kilometer und doch Welten entfernt von
Tel Aviv.
Um so größer ist die Verwirrung, wenn Tel Aviv aus seinein
selbstverliebten Tanz gerissen wird, wie etwa im Oktober 1994,
als ein palästinensischer Terrorist sich und 22 Menschen in
einem Bus mitten in der Stadt in die Luft sprengte. Ein solch
mörderischer Anschlag würde überall lähmendes Entsetzen
auslösen, doch in Tel Aviv mischt sich das mit ungläubigem
Staunen darüber, daß man auch in dieser so lebenslustigen,
lebensbejahenden Stadt Opfer eines derartigen Verbrechens
werden kann. Und am Abend geht das Leben weiter, als sei
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