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pirisch zu untersuchen, ihre Attraktoren zu identifizieren und
mathematisch zu modellieren. Die Theorie komplexer dyna-
mischer Systeme, die fachübergreifend in Physik, Chemie und
Biologie angewendet wurde, gibt jedenfalls bereits heuristi-
sche Hinweise für Forschungshypothesen.
Ein altes erkenntnistheoretisches Problem ist die Erklärung
von Bewußtsein. Ist es bloß eine „Widerspiegelung“ materiel-
ler Zustände, wie Materialisten des 19. Jahrhunderts behaup-
teten? Ist es eine eigene „Substanz“ unabhängig von der
„Materie“ in cartesischer Tradition? Heute liegen Erklä-
rungsvorschläge von Gehirnforschern und kognitiven Psycho-
logen vor, die sich in der Theorie komplexer dynamischer Sy-
steme modellieren lassen. Wir erinnern zunächst noch einmal
daran, daß ein wahrgenommener Sachverhalt der Außenwelt
durch ein typisches neuronales Verschaltungsmuster reprä-
sentiert werden kann. Denkt man über diese wahrgenomme-
nen Sachverhalte nach, spricht man traditionell von Reflexi-
on, d.h. in einem neuen Gedanken wird auf einen vorherigen
Gedanken Bezug genommen. Man kann sich nun vorstellen,
daß der Output des zerebralen Verschaltungsmusters, das den
früheren Gedanken repräsentiert, als Input im nachgeschalte-
ten neuronalen Muster des späteren Gedankens wirkt und
dort Selbstorganisationsprozesse auslöst.
Damit entsteht eine Metarepräsentation, die beliebig iteriert
werden kann: Ich denke darüber nach, wie ich über das
Nachdenken über das Nachdenken ... nachdenke. Iterierte
Metarepräsentationen von neuronalen Verschaltungsmustern
sollen den Zustand von Bewußtseins- bzw. Selbstbewußt-
seinsbildung modellieren. Der Grad des Bewußtseins hängt
von der Geschwindigkeit ab, mit der iterierte Metarepräsen-
tationen gebildet werden können.
Damit löste sich auch das Rätsel auf, auf das bereits Leib-
niz aufmerksam machte ( Monadologie § 17): Wir finden im
Gehirn lokal keine ,Substanz' mit dem Namen ,Bewußtsein',
die alle Denkprozesse wie ein Zentralprozessor steuert. Dieser
Name steht vielmehr für bestimmte globale Makrozustände
neuronaler Netze, deren Dynamik vom heutigen Forschungs-
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