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er. Ich sprang ins Meer und aalte mich dann im Schatten der Palmkronen. Im Rücken
eine fruchtbare Ebene, dahinter hoch aufragende Berge und vor mir eine Lagune mit allen
Farben: Blau, Grün, Türkis, Braun und in der Ferne ein brandendes Riff. Und über mir?
Ein strahlend blauer Himmel.
Mensch, so etwas hatte ich nie zuvor gesehen! Doch, natürlich, nur nicht zur Kenntnis
genommen. Nicht in Italien, nicht in Libyen. Die Straße verlief zwar in Sichtweite der
Küste, aber die Libyer schienen das Meer verbergen zu wollen. An die Strände kam man
nicht über Wege heran. Später lag meine Route weit von der Küste entfernt. Syrien, Irak,
Iran mit ihrer Monotonie.
An der bevölkerungsreichen Malabarküste gab es keine Unendlichkeit, doch dahinter lag
das unendliche Meer: der Indische Ozean, genauer das Arabische Meer. Hier wollte ich
nicht weg. Wollte keine Tiger sehen, keine Elefanten, nichts mehr dergleichen. Ich schlug
mein Lager am Ufer auf und fühlte mich großartig. Fast wie damals am Suezkanal. Nur
freier und unabhängiger.
Und so lernte ich irgendwann einen Engländer kennen, in Begleitung von zwei indischen
Mädchen. Schwestern, wie sich später herausstellte. Ja, ich hatte wieder Sinn und Blick für
Mädchen. Die Zeit, wo ich nur weiter, immer weiter wollte, lag hinter mir. Sie boten mir
eine Fahrt auf einem Segelboot an. Es war keine Yacht, sondern ein kleiner indischer Fis-
cherkahn, umgebaut zum Segeln. Und das war der Moment, wo ich erstmals das Erlebnis
Wasser und Segeln hatte. Wie aufgeregt war ich! Plötzlich sah ich das Land aus einer ander-
en Perspektive. Wir machten Fahrt, ohne etwas tun zu müssen. Ich verbrauchte keine Kraft,
ja, ließ meine Beine im Wasser baumeln. Mein Gott, war das herrlich. Einfach schweben.
Einfach reisen. Ohne den Staub und Schweiß der Landstraße. Kochen und schlafen, wann
ich will. Auf dem Wasser zu sein machte mich glücklich. Das wollte ich.
Es war schon paradox: Monatelang fuhr ich am Wasser entlang und hatte nie das Ver-
langen gespürt, es zu nutzen. Die Erfahrung jetzt hatte ich nur den Mädchen zu verdanken,
die mich an Bord verfrachteten. Es ging mir nicht um die Aussicht auf Liebe, höchstens
um Unterhaltung. Später, als ich mich mit Queenie, einer der Schwestern, küsste, stellte ich
fest, dass das nicht so viel anders war als in Mecklenburg. Zugegeben hitziger, was auch an
den tropischen Temperaturen gelegen haben kann.
An der Malabarküste feierte ich meinen 19. Geburtstag. Solo. Ich leistete mir ein »Ein-
Rupie-Gericht«: Reis und eine scharfe Soße. Als Nachtisch Weißbrot mit Banane und
weißen Tee. Eine Rupie hatte damals einen Wert von 20 Pfennig. Mehr als eine Rupie
kostete auch eine Tasse Tee nicht. Es war Milchtee. Ein Standardgetränk in Indien. Ein
leicht aromatischer Tee mit viel Milch und Zucker. Die Wärme und Süße waren mir
willkommen. Und ich wünschte mir das Meer und ein Boot. Ein Segelboot musste her. Ich
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