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nicht absteigen und dachte: Worauf habe ich mich bloß eingelassen? Die Zelte waren nach
Norden hin mit Schutzwänden aus Reisig und Lehm versehen, gegen den Treibsand des
vorherrschenden Windes. Ein Esel, eine Ziege, viele Kamele liefen frei umher. Zäune kann
man sich in der Wüste sparen. Hier läuft niemand weg.
Eine Übernachtung später war die Sonne wieder über mir, dieses strahlende, blendende,
gleißende Gestirn. Und nach meiner Wüstenkarte lag 30 Kilometer vor mir eine Oase. Die
Karte, inzwischen in Einzelteile zerfleddert, war meine einzige Stütze gegen die Angst,
mich zu verirren. Ich fuhr auf einer Schotter-Sandpiste in der Regel eine Stunde lang am
Stück. Machte dann eine kleine Pause, häufte als Wegweiser ein paar Steine übereinander,
und weiter ging es. Mehr als 30 Kilometer am Tag schaffte ich nicht mehr. Und die nicht
immer exakt in die richtige Richtung.
Inmitten des leeren, flachwelligen Ozeans aus Stein und Sand endlich eine Oase! Daraj.
As-salamu alaikum , die stetig wiederkehrende Grußformel. Mein Rad wurde bestaunt, als
hätte man nie zuvor eines gesehen. Erwartungsvoll hockte ich mich an eine Mauer. Es gab
Tee und Wasser und Neugierde. Ja, ich hatte diesen Punkt im Nichts auf Anhieb gefunden,
bestätigte ich.
Daraj war eine Oase ohne See, aber mit Binsengras, Palmengebüsch, etwas distelartigem
Kraut und einer Handvoll blattloser Sträucher. Keine zehn Menschen wohnten hier. Aber
es gab einen Ziehbrunnen. Mindestens drei Frauen hingen an einem Seil und zogen über
eine Rolle die Eimer mit Wasser hoch. Kamele und Ziegen liefen wie üblich frei herum.
Mit Hirse und Fladen in einer Schüssel für mich allein und Wasser im Krug tankte ich
für den nächsten Tag auf. Schon vor Sonnenaufgang schob ich mein Rad an den Start zur
letzten Etappe. Dachte ich, doch 50 Kilometer waren nicht zu schaffen. Nicht nachdem ich
schon einige Hundert in den Beinen hatte. Blödsinn, einige Tausend - von Deutschland aus
gerechnet. Drei Tage dauerte die letzte Etappe. Um bei der Wahrheit zu bleiben: drei halbe
Tage. Einen ganzen Tag lang in den Pedalen, das ging nicht mehr.
Nur einmal kam ich ernsthaft von meiner Route ab, als es bedeckt war und ich die Sonne
nicht als Himmelswegweiser nutzen konnte. Eigentlich ein ideales Wetter zum Reisen -
mal nicht gleißendes Licht und hohe Temperaturen. Dafür habe ich mich verirrt. Zur phys-
ischen Plackerei kam Angst. Ich glaubte nicht so recht daran, dass Allah es schon richten
würde. Alle Richtungen sahen gleich aus. Vorsichtshalber schlug ich mein Nachtlager auf
und verharrte bis zum nächsten Tag. Ich hatte ja vorgesorgt, nämlich hier und da kleine
Steinpyramiden gesetzt, sodass ich im Notfall immer zum letzten Ausgangspunkt hätte
zurückfahren (oder -schieben) können.
Ich habe noch nicht erzählt, dass ich etliche Reifenpannen hatte. Eine Panne bedeutete:
Schlüssel zur Hand nehmen, Achsschrauben lösen, Laufrad aus dem Rahmen nehmen, mit
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