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Tags darauf war es nicht weit nach Palmyra. Was klingt in diesem Namen nicht alles mit:
Palmen, Wüstenwind, Myrrhe, Weihrauch und Säulen im Sand. Dort erinnert fast jeder
Stein an jene Glanzzeit, als die antike Oasenstadt zwölf Jahre lang - zwischen 260 und
272 - alle Länder zwischen Bosporus und Nil beherrschte. Karawanen aus Arabien und
Mesopotamien tränkten hier ihre Tiere, und in den imposanten Säulenhallen wurde Per-
sisch, Aramäisch und Griechisch gesprochen, ehe die römischen Legionen des Kaisers
Aurelian den Ort zerstörten. Besonders durch die Anbindung an die Seidenstraße gelangte
Palmyra, die seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. unter römischer Hoheit stand, zu großem
Reichtum, der sich vor allem in monumentalen Bauwerken offenbart: Da wurden Tem-
pel und Thermen gebaut, Triumphtore, Theater und Wohnhäuser. Ein Spektakel römischer
Zivilisation, mittlerweile nur noch ruinenhaft, doch nach wie vor ein grandioses Freilicht-
museum.
Zudem entwickelte sich an diesem geschichtsträchtigen Ort eine ungewöhnliche Kultur,
die griechisch-römische und orientalische Elemente miteinander vereinte, ehe Palmyra an
Bedeutung verlor und in die Hände der Moslems überging, die bereits unweit der antiken
Stadt eine Bergfestung namens Tadmor angelegt hatten. Ein Name mit altsemitischem Ur-
sprung, der so viel wie »Wachposten« bedeutet.
Erst 1678 entdeckten britische Kaufleute die antiken Tempelruinen von Neuem, die
heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen und für viele Bildungsreisende des Abend-
landes zum klassischen Reiseziel wurden.
Auch die alten Karawanenwege, die ehemals von Palmyra nach Bagdad, Babylon und
Kurdistan führten, gibt es noch immer. Allerdings werden die verzweigten Wüstenstraßen
heute von donnernden Lastwagen benutzt. Doch jenseits aller Wellblechpisten und As-
phaltbänder erstreckt sich seit jeher eine große Stille: die Syrische Wüste, zu der zwei Drit-
tel der Landesfläche zählen. Dort war ich mit einem Beduinen unterwegs, der einen grauen
Umhang trug und dessen Kopf in ein landestypisches kariertes Tuch gehüllt war. Mustafas
Gesicht mit den großen braunen Augen, der gebogenen Nase und dem Stoppelbart am Kinn
war fast immer heiter. Seine Bewegungen wirkten locker und geschmeidig, als wir Schritt
für Schritt in die Wüste zogen.
Fortan bewegten wir uns zu Fuß oder im ruhigen, schaukelnden Gang der Kamele, die
mit Proviant und reichlich Trinkwasser beladen waren. So zogen wir von Tag zu Tag durch
eine Landschaft, deren Großzügigkeit keine Grenzen kannte. Manchmal liefen oder ritten
wir stundenlang nebeneinander durch sandiges, steiniges Terrain, ohne dabei viele Worte
zu wechseln. Es war herrlich für mich, wenn sich die horizontweiten Ebenen aus Sand und
Stein vor uns ausrollten. Nicht umsonst heißt es in einem arabischen Sprichwort: Der Weg
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