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flecht glich. Zementgraue Wohnblocks, flimmernd im Licht, die sich in alle Himmelsrich-
tungen kreuz und quer ausdehnten, manche nur halbfertig. Dazwischen Moscheen in al-
len Größen, von deren Minaretten die Muezzins per Lautsprecher zum Gebet riefen. Und
immer wieder das Porträt von Assad, dem Herrn des Landes, das auf zahllosen Wänden
prangte. Ein bilderseliger Führerkult. Damaskus war kein Paradies, eher ein Moloch, der
nie Ruhe gab und in dem sich fünf Jahrtausende schatten- und schemenhaft verloren.
Damaskus ist eine der ältesten Städte der Erde, aber die Zeit ihrer Gründung ist nicht
genau zu bestimmen, da die muslimische Geschichtsschreibung die Fäden der Überliefer-
ung eher verwirrt als entwickelt hat, liest man in Karl Mays Von Bagdad nach Stambul .
Die Heilige Schrift erwähnt Damaskus des öfteren. Zu jener Zeit wurde es auch Aram
Damasek genannt. David eroberte es und zählte es zu den glänzendsten Perlen seiner
Krone. Nachher herrschten die Assyrer, Babylonier, Perser, die Seleukiden, Römer und
Araber. Als Saulus zum Paulus wurde, stand sie unter dem Zepter der Araber. … Oft wurde
Damaskus erobert und in Trümmer gelegt, aber immer erhob es sich wieder mit neuer
Lebensfähigkeit. … Heute spricht man von 200 000 Einwohnern, die Damaskus besitzen
soll; die Zahl 150 000 wird aber der Wahrheit näher liegen , berichtet Kara Ben Nemsi
durch die träumende Feder Karl Mays.
Mittlerweile hat Damaskus fast zwei Millionen Einwohner. Eine pulsierende Stadt mit
einer Fülle von geschichtlichen Highlights: Da gibt es die Omaijaden-Moschee, die zu den
ältesten der islamischen Welt zählt. Im Inneren ruht seit 1500 Jahren der abgeschlagene
Kopf Johannes des Täufers, mit dem Salome tanzte, als die Welt noch heidnisch war. In
Damaskus findet man auch das Grab des Sultans Saladin, der die Kreuzritter bezwang.
Dann die korinthischen Säulen zur Vorhalle des damaszenischen Jupitertempels. Und nicht
zu vergessen: römische Torbögen und Paläste, Karawansereien und Koranschulen. Über-
all ist Geschichte sichtbar, begegnet sich Frühchristliches und Frühislamisches, Antike und
Mittelalter, Kalifat und Kolonialzeit.
Das exotische Flair von Orient und Morgenland fand ich schließlich in der Damaszener
Altstadt, wo der Souk, der große Basar, das Alltagsleben aufsaugt. Schwitzend irrte ich hier
durch ein gigantisches Gassengewirr, mitgerissen von einem Menschenstrom, der mich von
Laden zu Laden trieb, während hoch oben, zwischen den Hausdächern, Schilfmatten oder
Lattengitter die engen Gehwege beschatteten. Die schmalen, winkligen Gassen, die gerade
breit genug waren, ein beladenes Eselchen passieren zu lassen, bildeten ein ungeordnetes
Netz mit zahllosen Geschäften und Verkaufsständen voller Düfte und Gerüche. Alle zehn
Schritte wurde ich von jugendlichen Schleppern angesprochen, die wie Kletten zäh an mir
hingen. Für ein bisschen Geld wollten sie mich als Pfadfinder durch das Gassenlabyrinth
begleiten oder mir gar die ganze Stadt zeigen.
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