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Ich nickte nur und spürte, wie mir die Angst in den Nacken kroch. Mein Herz pochte bis
zum Hals. Mein Gott, worauf hatte ich mich da nur eingelassen! Hätte es in der Nähe einen
Flugplatz gegeben, ich wäre so schnell wie möglich die Stufen der Gangway hinaufgestie-
gen, um das wilde, wüste Kurdistan zu verlassen.
»Dort drüben sind sie«, riss mich Ahmeds Stimme aus meinen Gedanken und wies mit
dem ausgestreckten Arm zu einem langen Bergrücken, über den etwa zehn Gestalten gingen.
Gespenstische Silhouetten, die sich gegen den mondhellen Nachthimmel abzeichneten. An
ihrer Körperhaltung konnte ich erkennen, dass sie mit Gewehren oder Maschinenpistolen
bewaffnet waren. Auf den Köpfen trugen sie Schutzhelme.
Sekunden dehnten sich zur Ewigkeit. Was konnten wir tun? Sollten wir im Versteck
bleiben oder uns davonschleichen? Was würde passieren, wenn uns die Soldaten entdeck-
ten? Ahmed, Kemil und Mohammed würden sicher im Gefängnis von Diyarbakir ver-
schwinden. Und auch mir würde es vermutlich nicht anders ergehen. Immerhin war ich il-
legal im kurdischen Rebellenland unterwegs. Allein diese Tatsache hätte schon ausgereicht,
um in größte Schwierigkeiten zu kommen. Flucht war also die beste Lösung.
Als Kemil von einer Höhle sprach, die nur einige Kilometer entfernt lag, waren wir sofort
bereit, dorthin zu flüchten. Wir mussten nur darauf warten, dass die Soldaten für einige Mo-
mente in einer Senke verschwanden. Dann griffen wir rasch zu unserem Gepäck und liefen
los. Fast lautlos bewegten wir uns durch die düstere Bergwelt, hetzten durch ein ausget-
rocknetes Flussbett, rutschten über einen schroffen Steilhang, folgten einem ausgehöhlten
Felsband, kletterten über ein Gewirr von Steinklötzen und zwängten uns zwischen engen
Felswänden hindurch.
Dann kurzes Stehenbleiben. Sekunden des Verschnaufens.
Gleich darauf tasteten wir uns weiter voran, einer dicht hinter dem anderen. Wie Sch-
lafwandler fanden Kemil und Ahmed ihren Weg. Offensichtlich waren sie es gewohnt,
in den Bergen herumzukraxeln und Hänge auf dem Hosenboden abwärtszurutschen. Mo-
hammed tat sich dagegen etwas schwer, konnte kaum Schritt halten. Unsere Verfolger
schienen - zum Glück - etwas zurückzubleiben. Hatten sie uns schon entdeckt?
Irgendwann erreichten wir den Rand einer tiefen Schlucht, die mindestens 200 Meter lang
war. Im diffusen Mondlicht waren genaue Schätzungen unmöglich. Gleichwohl konnte ich
erkennen, dass die Seitenwände steil und zerschunden in die Tiefe fielen. Die Schlucht mün-
dete in eine kleine Senke, wo neben nackten Felsklötzen ein paar Sträucher wuchsen.
»Wie sollen wir da hinunterkommen?« fragte ich.
»Ich kenne einen Weg«, erklärte Kemil.
Also folgten wir ihm, mussten aber achtgeben, denn an einigen Stellen fiel die Felswand
bis zu 300 Meter in die Tiefe.
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