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Auto überholte, das zwei LKW überholte. Auf einer Seite ging es senkrecht hinunter. Ein
Bus kam uns wild hupend und mit aufgeblendeten Scheinwerfern direkt entgegen. Ich er-
starrte in meinem Sitz. In letzter Sekunde schwenkten alle drei Fahrzeuge zurück auf ihre
Seite, bevor der Bus auf der Gegenfahrbahn vorbeidonnerte. Das ist der ecuadorianische
Fahrstil. Wenn man ein langsameres Fahrzeug vor sich hat, überholt man.
Hier kennt man keine Zimperlichkeiten: Man wartet nicht auf eine freie, übersichtliche
Strecke und achtet auch nicht auf den Gegenverkehr. Schließlich müssen wir alle einmal
sterben. Oder? Otavalo, zwei Stunden nördlich von Quito gelegen, schmiegt sich in eine
dichtbevölkerte, fruchtbare ländliche Region mit Seen und Vulkanen, deren Hänge in Par-
zellen von grünen Feldern aufgeteilt sind. Die Stadt selbst ist für ihren Markt berühmt.
Die Händler kommen aus ganz Südamerika und bieten jedes denkbare Souvenir von Jade-
masken und Ölmalereien bis hin zu Haschischpfeifen und Hippie-Schmuck an.
Vor allem aber ist der Markt bekannt für die eigenen Produkte der Otavalo-Indianer: Ihre
Teppiche, Tücher, Pullis und Ponchos aus Alpaca-Wolle haben sie zu einer der wirtschaft-
lich erfolgreichsten indigenen Gruppen Südamerikas gemacht. Die Mädchen, klein und
mollig, tragen rot-schwarze Röcke, erlesene weiße Schnürhemden und goldene Halsketten.
Stolze junge Männer fixieren einen mit einem gleichmäßigen, direkten Blick. Ihr Haar ist
pechschwarz und zu einem langen Pferdeschwanz gebunden, wie bei den tapferen Indian-
ern im Western.
Mama Rosita' s
Das Cafe unserer Wahl, Mama Rosita's, war ein typisch ecuadorianisches Fresslokal, das
zur Straße hin offen war. Es bestand aus vier Tischen, schmuddeligen Wänden mit alten
Postern und einem Schild in Englisch, das „Mama Rosita's weltberühmte Pfannkuchen“
anpries. Die Küche war eine fettige Nische im hinteren Teil des Raums. Die gleichnamige
Wirtin wurde von zwei der kleinsten Frauen unterstützt (und noch öfter behindert), die ich
je gesehen hatte. Da wir in Otavalo gewesen waren, hatten wir bereits ein paar besonders
kleine Leute gesehen (die meisten Ecuadorianer sind sowieso ziemlich kleinwüchsig).
Vielleicht waren sie das Ergebnis irgendeines genetischen Defektes, da die meisten auch
zurückgeblieben zu sein schienen. Sie standen hier ganz unten in der Hackordnung und di-
enten als (zweifellos billigerer) Ersatz für Esel. Männer, die gerade mal 1,50 Meter groß
waren, schwankten unter Doppelbetten oder Kleiderschränken vorbei, die von einem Band
gehalten wurden, das sie quer über die Stirn und hinten um die Last gelegt hatten. Es han-
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