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Trotz seiner Erfahrung im indischen Gefängnis liebte Carlos Indien und Inder. Sein größter
Wunsch war es, wieder zurück zu gehen und dort zu leben. Er erzählte uns, dass er einmal
in einem indischen Krankenhaus gewesen war, wo die Patienten mit intravenösen Infu-
sionen ernährt wurden, an die man Kokosnüsse hängte. Wenn die Milch einer Kokosnuss
aufgebraucht war, hängten die Schwestern einfach eine frische Kokosnuss daran. Seine
Liebe für die Inder war überraschend, da er in jeder anderen Hinsicht ein altmodischer
Rassist war.
„Ich vertraue nie einem Juden“, sagte er zu mir, als er sah, dass ich einen Davidsstern trug.
„Ich vertraue auch nie einem Araber.“ Er lästerte über die faulen Schwarzen und die arrog-
anten Franzosen sowie über die elenden, faulen, ungebildeten Südamerikaner - und über
jeden anderen auch. Außer die Inder.
„Aber das wichtigste, wisst ihr. Traue nie einem Italiener“, vertraute er uns eines Tages an,
unmittelbar bevor er uns den toten Hummer verkaufte. Und kurz danach sagte mir Melissa,
dass Carlos immer wieder versuchte, sie anzumachen.
„Er will wissen, was eine wunderschöne Frau wie ich mit einem Mann wie … dir macht“,
eröffnete sie mir. Ich sah zu Carlos hinüber. Er winkte mir nachbarschaftlich zu. „Er hat
gesagt, die anderen Mädchen am Strand sind nur dumme Kinder. Er will mich mit High
Heels sehen.“ Es muss schwer für Carlos gewesen sein, eine passende Frau zu finden. Er
war ein Mann, der fließend Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Hindu sprach
- und der wahrscheinlich in jeder dieser Sprachen Philosophie lesen und gleichzeitig in
zwei weiteren eine Konversation führen konnte. Er war superfit, konnte speerfischen und
Kokosnüsse öffnen und wusste zweifellos auch, wie man einen Mann mit bloßen Händen
tötete. Aber nicht viele Frauen wollten wohl das Leben eines wandernden Sadhu teilen
und in High Heels herumlaufen. „Erklär mir was“, bat mich Carlos eines Tages. „Warum
sind alle Engländer von ihren Arschlöchern so besessen?“ Ich wusste nicht, was er meinte.
Also erklärte er es mir: „In der Fremdenlegion, da sind diese englischen ‚Squaddies', die
machen immer ‚das brennende Arschloch'. Weißt du? Das iss ein Song. Sie stecken sich
eine zusammengerollte Zeitung in den Arsch und zünden sie an, und dann müssen sie
diesen Song singen, ‚Das brennende Arschloch', bevor sie sie löschen dürfen. Kannst du
mir sagen warum, hä?“ Carlos, der mehrsprachige Philosoph, war nicht in der Lage, dieses
merkwürdige englische Verhalten zu ergründen.
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