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Wir kamen an Teenagern vorbei, die auf Fahrrädern mit verbeulten Rädern und geflickten
Reifen fuhren. Frauen in blumigen Kleidern; Männer in Shorts, T-Shirts und Gummis-
tiefeln; Kinder, die barfuß Hüpfspiele machten. Nach dem steilen Abstieg in der Nacht ver-
lief die Straße nun eben. Hier gab es nur noch ein paar sanfte Hügel. Von deren Gipfeln
wurde die lebendige grüne Weite des Amazonasgebietes sichtbar, die die kleinen Baracken
und Felder neben der Straße winzig erscheinen ließ.
Obwohl in den vergangenen Jahren ein großer Teil zerstört worden ist (niemand weiß es
genau, aber ein Fünftel könnte hinkommen), ist der Wald immer noch unglaublich riesig.
Er erstreckt sich von hier 2000 Meilen weit bis an den Atlantik. Mit einer Fläche von
3,7 Millionen Quadratkilometern ist er größer als Westeuropa, aber die einzigen größeren
Städte sind Iquitos in Peru und Manaus und Belém in Brasilien. Davon abgesehen lag die
nächste große Stadt in unserer Richtung in Westafrika, auf der anderen Seite des Erdballs.
Der Fluss selbst ist ebenso beeindruckend. Bei sechseinhalb tausend Kilometern Länge en-
thält sein System rund ein Fünftel der Frischwasserreserven der Welt und entwässert ein-
en Einzugsbereich von über fünf Millionen Quadratkilometern. Der Amazonas entleert pro
Tag mehr Wasser ins Meer als die Themse in einem ganzen Jahr.
Lago Agrio
In Lago Agrio stiegen wir in einen anderen Bus um. Die Busstation war nicht mehr
als ein schlammiger Hof, während die Straßen draußen vom nächtlichen Regen teilweise
überflutet waren. Plastik und Papier sowie faulendes Obst und Gemüse trieben in den
Pfützen. Schlammbespritzte Pickup-Trucks und verbeulte Busse bespritzten die kaputten
Gehsteige mit braunem Wasser. Die Gebäude wirkten hastig konstruiert: Es waren funk-
tionale Betonblocks. Der Stadt fehlte jegliche Schönheit, aber in der Kühle des frühen
Morgens glich sie das durch Lebendigkeit aus. Menschen trugen Säcke, fuhren Fahrrad-
Rikschas und öffneten Läden. Jungen in Shorts und mit nacktem Oberkörper kickten leere
Plastikflaschen gegen vergitterte Läden. Man sah Mestizos und schwarze Jugendliche von
der Küste, Siedler vom Hochland sowie Cofan-, Siecoya- und Quechua-Indianer aus dem
Dschungel.
Die Stadt heißt offiziell Nueva Loja, aber jeder nennt sie Lago Agrio (saurer See) nach ein-
er Öl-Stadt in Texas. Das erklärt, worum es in Lago Agrio geht: Sie dient ausschließlich als
Basis für die Erdölsuche im ecuadorianischen Amazonasgebiet, vor allem durch amerikan-
ische Firmen.
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