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hinter einem Satz Wohlstandsignale. Seinen Namen hatte er verdient. Die Autos
standen unter Bäumen. DieNischen wurden durchGrünstreifen begrenzt, dergan-
ze, etwas tiefer liegende Platz, von blühenden Büschen gesäumt. Dazwischen
lud eine Bank zum Sitzen ein. Ich nahm diese Einladung an und breitete meine
Landkarte auf den Knien aus. Es war eine sogenannte Generalkarte im Maßstab
1:200 000. Mein Kilo Radwanderkarten hatte ich schon verbraucht. Kahl fand ich.
Hanau fand ich auch. Nur zwischen welchem dieser kleinen, grauen Kästchen, die
Hanau darstellen sollten, ich jetzt saß und wo es aus diesem verwünschten Kaff
hinausging, fand ich nicht heraus. Vielleicht half es, wenn die Karte richtig aus-
gerichtet wurde. Es war Nachmittag. Die Sonne musste im Südwesten stehen. Ge-
genüber war dann Nordwest. Dann lag Norden also ... Als ich gerade überlegte,
ob ich die Karte, mich, oder besser die Bank herumdrehen sollte, hüllte mich ein
schwarzer VW-Golf in warmen Fahrtwind und weißen Staub. Er hielt unter einem
Baum auf dem Parkplatz. Ein junger Mann stieg aus. Autofahrer sollte man eigent-
lich nicht fragen. Doch der unverbesserliche Optimist in mir schob alle Vorbehalte
beiseite. Ich versuchte es trotzdem. Er kenne einen Radweg nach Kahl, beantwor-
tete er meine Frage. Nur ob es der Richtige sei, das wisse er nicht. Seine Hin-
weise reichten aber für mich aus, die Stadt zu verlassen, ohne noch einmal die
Fußgängerzone durchschieben zu müssen. An einer Abzweigung waren ein Pfeil
und ein Radfahrer auf den Asphalt gemalt. So deutliche Markierungen hatte ich
bisher noch nirgendwo gesehen. Das war erfreulich und die Strecke war es auch:
eine breite glatte Straße. Laubwälder zu beiden Seiten, Höhenunterschiede, die
nur der Abwechslung dienten und immer wieder blaue Pfeile auf dem Asphalt.
Irgendwann mündete diese Traumstraße in zwei Fahrspuren, die mir überhaupt
nicht gefallen konnten und ich bog ab. Jetzt stand neben den blauen Pfeilen RB
und das hatte mit Kahl nun gar nichts mehr zu tun. Da aber das Element Zeit
kein Gewicht mehr für mich hatte, der Bodensee als Ziel in erster Linie nur sym-
bolische Bedeutung besaß und sowieso nur der Ordnung halber vorgeschoben
war, es noch mindestens drei bis vier Stunden hell bleiben würde machte mir der
Gedanke auf eine der üblichen Wellnessrouten hereingefallen zu sein auch keiner-
lei Bauchschmerzen mehr. Der Weg war das Ziel. Auf dem blieb ich jetzt und das
war gut so. Die Götter lieben den, der nach Weisheit und Erkenntnis strebt. Sie
sandten mirzwei Boten. Auf einer schmalen Brücke standen sie. Eine Frau und ein
Mann, beide jung, dunkelhaarig, gut aussehend. Helme mit aufgemalten Silberflü-
geln auf dem Kopf, Artemis und Apollo, im Fahrraddress wie aus dem Modekata-
log, Mountainbikes neben sich.
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