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menschen, die als „minderwertig“ angesehen wurden. Nach dem Zweiten Welt-
krieg entwickelte sich die Genetik im Ausland, in Deutschland allerdings sehr
verzögert, mit ständig zunehmender Geschwindigkeit zu einer führenden biolo-
gischen Disziplin.
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein hatte man keine Vorstellungen über
die Grundlagen der Vererbung. Es war Gregor Mendel, der 1865 seine Entde-
ckungen zu den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung, die als „Mendelsche Geset-
ze“ heute zur Allgemeinbildung gehören, veröffentlichte. Mendel arbeitete im
Kloster Brünn in Böhmen, das damals zur Habsburger-Monarchie gehörte. Ist es
nicht erstaunlich, dass Mendel seine epochalen Arbeiten nicht in der Haupt-
stadt der Donaumonarchie, sondern in einem Provinzstädtchen durchführte?
Kaiser Joseph II. hatte schon vor der Französischen Revolution viele Klöster
aufgelöst, insbesondere solche, in denen die Mönche nur kontemplativ lebten.
Das Vermögen der Klöster wurde eingezogen. Es blieben nur die Klöster beste-
hen, die sich sozialen oder kulturellen Aufgaben zuwandten. Die Mönche des
Augustiner-Klosters hatten schon frühzeitig die wissenschaftliche Forschung zu
ihrer Aufgabe gemacht, sodass in Brünn geradezu ein geistiges Zentrum ent-
stand. Dazu kommt, dass die Stadt im 19. Jahrhundert durch die aufstrebende
Wollindustrie auch große wirtschaftliche Bedeutung erhielt.
Mendel wollte verstehen, wie die verschiedenen Merkmale von Pflanzen
zustande kommen. Er zog für seine Untersuchungen die Form und Farbe von
Erbsen heran. Diese Merkmale waren klug gewählt. Es handelt sich dabei um
alternative Ausprägungen, denn es gibt keine Übergänge. Mendel kreuzte ge-
zielt tausende von Erbsen, indem er sie künstlich bestäubte. Als ungeduldiger
Wissenschaftler hatte er sogar ein beheizbares Treibhaus bauen lassen, um pro
Jahr mehr als eine Erbsengeneration untersuchen zu können. Mendel hatte er-
kannt, dass sich Form und Farbe der Erbsen nur erklären lassen, wenn man an-
nimmt, dass diesen Ausprägungen verschiedene „erbliche Faktoren“ zugrunde
liegen. Wir nennen diese Faktoren heute „Gene“.
Mendels Arbeiten wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten zwar gele-
gentlich zitiert, fanden aber zunächst keinen Eingang in das wissenschaftliche
Gedächtnis. Er war mit seinen Entdeckungen seiner Zeit weit voraus. Die Bota-
niker des 19. Jahrhunderts experimentierten noch nicht mit Pflanzen, sondern
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