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wissend, dass sie von strategischer Be-
deutung war. Denn hier steht außer
dem Turm auch die Zentrale des staat-
lichen lettischen Fernsehens. Wer die
Kontrolle über das Fernsehen gewann,
entschied, was die Menschen in ganz
Lettland zu sehen und hören bekamen.
Nur wer auch den Fernsehturm in der
Hand hatte, konnte die Ausstrahlung
wirklich garantieren. Nicht zufällig
kam es in der litauischen Hauptstadt
Vilnius in eben jenem Jahr zu blutigen
Auseinandersetzungen mit der sowje-
tischen Militärgewalt um den dortigen
Fernsehturm.
Die Zeiten sind friedlicher gewor-
den und eine freundliche und bereit-
willig Auskunft gebende Angestellte
fährt mit den Besuchern zusammen in
Sekundenschnelle auf fast 97 Meter
Höhe. Nur die Mitarbeiter fahren noch
weiter hinauf. Der Panoramablick
über ganz Riga in Verbindung mit dem
Erleben dieses eigenartigen Turms ist
großartig. Im Gegensatz zu den ande-
ren Aussichtspunkten (St. Petrikirche,
Akademie der Wissenschaften, Radis-
son Blu Hotel Latvija) steht man nicht
mitten in Riga, sondern schaut aus ei-
niger Entfernung auf das Zentrum und
die anderen Stadtteile. Bei klarem
Himmel reicht die Sicht bis nach Si-
gulda mit dem berühmten Schloss Tu-
raida - ein Fernglas sollte also im Ge-
päck sein. Da stört es auch nicht, dass
die Fenster ein wenig beschlagen oder
schmierig sind - das Bedienen von
Touristen gehört nicht zur Hauptbe-
schäftigung des Personals.
Die Fahrt auf die Insel lohnt sich
auch ohne den Besuch des Fernseh-
eine schlechte, kleine Straße aus Be-
tonplatten direkt am Fluss entlang zum
Turm. 368 Meter reckt er sich in die
Höhe - genug, um den Fernsehturm
am Berliner Alexanderplatz knapp zu
übertrumpfen, wie eine Tafel im Ein-
gangsbereich klar macht. Kein ande-
res Land in Europa kann mit diesen
Ausmaßen mithalten. Mit seinen „Bei-
nen“, die schräg aufeinander zulaufen,
sieht er aus wie eine sowjetische Welt-
raumrakete kurz vor dem Start.
Die wichtigste Funktion des leicht
skurrilen Bauwerks ist die Ausstrah-
lung der Frequenzen für alle lettischen
Radio- und Fernsehsender. Wenn der
Turm ausfallen oder zusammenbre-
chen würde, hätte halb Lettland kei-
nen Empfang mehr - ganz abgesehen
von den Mobilfunknetzen, verschiede-
nen Navigations- und Kommunika-
tionssystemen von Militär, Flugsicher-
heit, der Stadt Riga und anderen wich-
tigen Institutionen. Doch so leicht
wird der Turm nicht umfallen, denn er
sitzt ganze 30 Meter tief in der Erde.
Das soll ihn resistent machen gegen
Erdbeben bis zur Stufe 8 auf der Rich-
terskala. Da aber jeder noch so stabile
Wolkenkratzer irgendwann zu wa-
ckeln beginnt, wurden in luftiger Höhe
von 200 Metern schwere Pendel auf-
gehängt, welche die Schwingungen
ausgleichen sollen. Damit trotzt der
Tornis auch Winden in Orkanstärke.
Bereits in den 1970er Jahren began-
nen die Planungen für den Turm, doch
erst 1986 konnte er in Betrieb genom-
men werden. Seine erste Sternstunde
erlebte er beim Freiheitskampf 1991,
als die Letten auf die Haseninsel eilten,
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