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tastischen Naturwundern erlebt haben, können wir den geradezu apokalyptischen Bleifuß-
tourismus in diesem Park nicht begreifen. So sind wir am Ende eigentlich ganz froh, wieder
draußen zu sein.
Halt! In einem Punkt war der Park für mich doch wirklich großzügig: Ich hab im Vor-
beifahren im Straßengraben einen 20-$-Schein gefunden. Lag einfach so da und lächelte
mich an. Nett, dass so was immer mir passiert!
Nach 118 Kilometern erreichen wir schließlich Montana, unseren elften Bundesstaat, und
die Stadt West Yellowstone. Morgen sind wir dann hoffentlich auch diese teuren, unerträg-
lichen Touristenorte wieder los.
Ein Radgeschäft bietet „Recumbents“ (Sessel-Fahrräder) zum Verleih an. Bei einer
Proberunde um den Häuserblock (diese Dinger haben echt Zukunft!) lernen wir Joe, unse-
ren heutigen Gastgeber, kennen, der die Recumbents vermietet.
Nach den Strapazen der letzten Tage sind wir jetzt toll in Form: „Nur“ 60 Meilen pro
Tag sind schon beinahe zur nebensächlichen Angewohnheit geworden. Trotzdem ertappe
ich mich immer öfter dabei, dass ich über meine zurückgelassene Welt daheim, über meine
Freundin und meinen Beruf nachgrübele. Außerdem freue mich schon unheimlich auf die
erste Party unter Freunden, die ich gleich nach unserer Rückkehr machen möchte. - Meine
Abenteuerlust scheint nach knapp zwei Monaten so ziemlich versiegt zu sein.
Überleben im Yellowstone Park
Die Nahrungskette: fressen und gefressen werden … - Ein Großteil der Parkbesucher
konzentriert sich vor allem darauf, die Wildnis und damit ihre ungezähmten Bestien zu
meiden. Doch dem Yellowstone-Radfahrer droht Gefahr von ganz anderer Seite. Ausge-
rechnet die Touristen sind es, die, nachdem sie eben noch auf den Parkplätzen wie Schafe
hintereinander hergetrottet sind, im nächsten Moment selbst zur blutrünstigen Gefahr mu-
tieren.
Morgenröte im Park: Während der Radfahrer auf menschenleerer Straße noch seinen
kleinen Vorsprung genießt, den ihm die Nacht auf der Toilettanlage (oder sonstwo) beschert
hat, wird andernorts bereits zum Halali geblasen. An den Einlass-Schranken stauen sich
dutzendweise stinkende Blechkisten. Alles wartet, dass die Uhr endlich neun schlägt. Drei,
zwo, eins - Startschuss!
Auch wenn Naturliebe die eigentliche Triebfeder dieser Leute sein sollte - der Radfahrer
im Park nimmt doch irgendwann die Attacken abgelenkter Autofahrer persönlich und sieht
sich als japsendes Beutetier, getrieben von einer übermächtigen, arglos wirkenden Jagdge-
sellschaft.
In Wirklichkeit sind die meisten Autofahrer aber bloß dumm. Daher besteht die
wichtigste Aufgabe des Radfahrers darin, für den Autofahrer mitzudenken:
Regel Nummer eins: Dem Autofahrer helfen, einen als Verkehrsteilnehmer wahrzu-
nehmen. Der Pannenstreifen ist nur in wenigen Fällen so gut, dass er sich tatsächlich
als Radweg benutzen lässt. Auf den meisten Straßen muss man daher auch Anspruch
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