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St. Marien -
spätgotische Kirchenbaukunst
Sie ist die dritte Kirche an diesem Ort. 1502 be-
gannen die Bauarbeiten unter der Leitung von
Peter Ulrich. Die ersten Mauern wurden um den
noch bestehenden Vorgängerbau hochgezo-
gen, der erst fiel, als man die Innenpfeiler errich-
tete. Zwei Zimmerer begannen mit ihren Leuten
gleichzeitig an der Ost- und Westwand mit dem
Bau des Dachstuhles. Ab 1539 wurden die Ge-
wölbe unter das geschlossene Dach gezogen.
Ihr Meister war vermutlich der zuvor in Most/
Brüx tätige Jörg von Maulbronn. Als Martin
Luther starb, stand die Stadtkirche in ihren
Hauptzügen fertig. Noch in der Renaissance
wurden die Kanzel und der Hauptaltar einge-
baut. Der 60 Meter hohe Turm stammt noch von
der viel kleineren Vorgängerkirche, er wurde be-
reits 1479 vollendet. Bei Restaurierungen im 18.
und 19. Jahrhundert erhielt St. Marien weitere
Einbauten.
Die äußerlich eher schlichte Kirche wird durch
mächtige Strebepfeiler gegliedert. Das Haupt-
portal liegt in der Westwand. Es führt in eine
dreischiffige Hallenkirche, in der die schlanken
Pfeiler nicht trennen. Deren Aufgabe allein ist,
die Blicke in das Gewölbe, in den Sternenhim-
mel zu führen. Selbst das Maßwerk in den spät-
gotischen Fenstern hält sich unter diesem Him-
mel dezent zurück. Wie Äste aus einem Baum
wachsen die Gewölberippen aus den Pfeilern.
So liegt ein filigranes Netz über dem Schiff, wie
ein Sternen-Raum. Über dem Mittelschiff liegt
ein Netzgewölbe, über den Seitenschiffen Ster-
nengewölbe, und über dem Chor steigert sich
das Spiel mit den Baumrippen in bildliche Dar-
stellungen. In der Mittelapsis hinter dem Altar
klettern ein „Wilder Mann“ und eine „Wilde Frau“
an einer Baumrippe, im südlichen Seitenschiff
hängt frei in der Luft die Hobelspanrippe - mit
Schlangenkopf.
Die spätgotische Sandsteinkanzel ist mit
Skulpturen geschmückt. Nach der Reformation
ließ Pirnas evangelischer Superintendent Lau-
terbach, der Luther persönlich kannte, die Ge-
wölbe und Pfeiler mit Malereien versehen. Ihre
Bildsprache soll sich an einer der frühen Luther-
bibeln orientieren.
Der Fuß des Taufsteins im nordöstlichen Sei-
tenschiff zeigt ein Relief mit 26 Kindern beim Es-
sen, Trinken, Spielen, Schlafen und Beten. Sym-
bole für das Leben von der Geburt bis zum Tod.
Der Altar schließlich ist das künstlerische
Pendant zum Gewölbe. David Schwenke schuf
ihn 1611 bis 1614 und verwendete Stücke eines
unvollendeten Altars seines 1610 verstorbenen
Bruders Michael Schwenke. Zehn Meter hoch
und fünf Meter breit ist das reichgeschmückte
Sandsteinretabel (Altaraufsatz), in den Maßver-
hältnissen demnach ein Abbild des Zwei-zu-
eins-Grundrisses dieser Kirche: Sie ist 50 Meter
lang und 25 Meter breit. Skulpturen, allegori-
sche Malereien und Ornamentik tragen die
Handschrift der Spätrenaissance und des Manie-
rismus.
f Das Portal der Kirche St. Marien
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