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Wissenspolitik: Von nachhaltiger Entwicklung zum
Klimawandel
Bis heute ist es üblih, dass auf den unteren Ebenen des Wissenshatsbetriebs der
Großteil der Klimaforshung völlig unbeeindrukt vom öfentlihen Lärm über die
drohende Klimakatastrophe im Alltag der jeweiligen Forshungsaufgabe nahgeht
und abwinkt, wenn es um die neuesten Statements der jeweiligen Institutsleiter
oder anderer in der Öfentlihkeit stehender prominenter Forsher geht. Man be-
trahtet dies als die Eitelkeiten einiger weniger, stellt allenfalls Überlegungen an,
dass damit vielleiht auh die nähsten Forshungsprojekte garantiert und inanziert
werden, und verneint jeglihen Einluss dieser öfentlihen Debaten auf die eigene
laufende Arbeit. Diese häuig verbreitete Haltung untershlägt allerdings die gesell-
shatlih bedingten Voraussetzungen, das diskursive Seting, in dem alle institu-
tionalisierte Forshung statindet. Die Diskursivierung des Klimawandels ging viel-
mehr einher mit einer mehr oder weniger subtilen Ausrihtung der Forshung an
der Nahtstelle von Wissenshat und Politik.
Der menshengemahte Klimawandel ersetzte nun die „nahhaltige Entwiklung“
als Mode- und vor allem Shlüsselbegrif in der Wissenspolitik. Die Klimawis-
senshaten traten an die Stelle der Ökologie als „Leitwissenshat“, deren Rhetorik
und Metaphorik sie in vielen Punkten nahtlos fortführen und erweitern. So gesehen
ist die Klimaproblematik eine Aktualisierung der „Grenzen des Wahstums“, wie sie
vom Club of Rome als Menetekel der Moderne an die Wand gemalt wurden. Die
Klimawissenshaten setzen diese Tradition fort: Der Shwerpunkt liegt auf Model-
lierung, die Idee des Ökosystems setzt sih im Erdsystem fort, und es ist die Rede
von Kipppunkten und Shwellenwerten, welhe das Setzen von (politish verwend-
baren) Grenzwerten ermögliht. Begrife wie Anpassung, Resilienz oder Vulnerabil-
ität ergänzen den Begrif der Nahhaltigkeit und dienen nun als geopolitishe
Währung im Verhältnis zwishen Norden und Süden.
Die einzelnen Disziplinen lernten shnell, in ihren Förderanträgen die besondere
Relevanz für den Klimawandel zu betonen. Viele Dissertationen in der Ozeano-
graphie, der Meteorologie oder Geographie beanspruhten nun, im Zeihen des
Klimawandels zu stehen, selbst wenn der Zusammenhang nur sehr vage war. Auh
die angewandten Sozialwissenshaten folgten ihnen. Die naturwissenshatlihen
Forshungseinrihtungen, die wie immer den Bärenanteil an Forshungsgeldern ein-
warben, erkannten shnell die Zeihen der Zeit und rihteten Pressebüros ein, um
 
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