Geoscience Reference
In-Depth Information
Allgemeinen sind die Messwerte hierbei Linienintegrale der
Eigenschaften entlang des seismischen Strahls vom Erdbe-
benherd zum jeweiligen Seismografen und enthalten somit
eine summarische Information über das gesamte durchlaufe-
ne Gebiet.
Das Linienintegral einer Größe entlang eines bestimm-
ten Weges wird durch die nach dem österreichischen
Mathematiker und späteren Rektor der Universität Wien, Jo-
hann Radon (1887-1956), benannte Integral-Transformation
beschrieben. Die Radon-Transformation beschreibt das ku-
mulative Signal dieser Größe im Transformations-Raum,
die sogenannte Projektion. Diese wird einem bestimmten
Wellenstrahl zugeordnet. Somit beschreibt die Radon-
Transformation den Vorwärtsteil des inversen Problems.
Um die räumliche Verteilung der gesuchten Eigenschaf-
ten zu erhalten, müssen diese Projektionen nun invertiert
werden. Je nach den getroffenen Annahmen stehen unter-
schiedliche Ansätze zur Verfügung (siehe z. B. Nolet 1987 ;
2008 ; 2011 ) . Beispielsweise erhält man im Fall nicht ge-
krümmter Strahlen die räumliche Verteilung der gesuchten
Eigenschaft im Ortsbereich aus der Rückprojektion der ge-
filterten inversen Fourier-Transformierten der Projektionen
dieser Eigenschaft (Chapman 1987 ; Sheriff & Geldart 1995 ) .
Ein alternativer Zugang besteht in der Minimierung der
Differenz der Abweichungsquadrate zwischen Messdaten
und berechnetem Modell als Lösung des verallgemeinerten
Inversionsproblems (Iyer & Hirahara 1993 ; Lay & Wal-
lace 1995 ; Nolet 2008 ) . In der Seismologie werden so-
wohl Raum- als auch Oberflächenwellen zur Tomografie
verwendet (Lee & Pereyra 1993 ; Snieder 1993 ; Nolet 2008 ) .
Entsprechend werden hierbei sowohl die Laufzeiten der Wel-
len entlang eines Strahlwegs s betrachtet, t D s R ds = v . s /
(vgl. z. B. Zelt 2011 ) , als auch ihre Dämpfung. Im Engli-
schen wird die hierbei auftretende reziproke Geschwindig-
keit u . s / D 1= v . s / auch als slowness 20 bezeichnet.
Für Raumwellen erhält man die Laufzeitverzögerung
Abb. 3.25 a Seismogramm mit den Vertikal-, Ost- und Nordkom-
ponenten (Z, E, N) und in die Richtung der Transversal, Quer- und
Longitudinal-Komponenten (T, Q, L) rotierte Seismogramm-Spuren,
welche im Wesentlichen die Signaturen der P-, S V - und S H -Welle
zeigen (umgezeichnet nach Sodoudi 2005 ) . b Ergebnis der Dekonvo-
lution der T-, Q- und L-Seismogramme mit der P-Wellensignatur in
der L-Komponente. Diese zeigt folglich einen scharfen Einsatz, zu dem
der Nullpunkt der Zeitachse verschoben wurde. Das Signal in der de-
konvolvierten Q-Komponente beruht überwiegend auf der Energie der
Ps-Konversionswellen und wird als P -receiver function bezeichnet (um-
gezeichnet nach Sodoudi 2005 )
t
relativ zu einer Bezugsgeschwindigkeit v 0 aus:
Z
Z
t D t t 0 D
u
.
s
/
ds
u 0 .
s 0 /
ds
s
s 0
/
‚ …„ ƒ
. u . s / u 0 . s 0 // ds D
u
.
s
Z
Z
3.2.3 Seismische Tomograie
zur Abbildung innerer Strukturen der Erde
u . s / ds :
(3.63)
s 0
s 0
Hierbei steht die Näherung in ( 3.63 ) für die Annahme, dass
der Strahlweg s nahe am Strahlweg s 0 des Startmodells ver-
läuft und somit berechnet werden kann.
Tomografie ist ein Abbildungsverfahren, welches die Lösung
einer Umkehraufgabe erfordert (siehe Abschn. 1.2 ) . Dies be-
deutet, dass aus Messwerten (z. B. Amplitude oder Laufzeit),
welche die elastischen Wellen charakterisieren, die den Un-
tergrund von einem Erdbebenherd bis zum Seismografen
durchquert haben, Rückschlüsse auf die physikalischen Ei-
genschaften des durchquerten Untergrunds gezogen werden
(z. B. auf Wellengeschwindigkeiten, Dichte, Absorption). Im
20 Ein auch im Deutschen verwendeter, irreführender Begriff, da slow
ebenso wie fast eine Geschwindigkeit charakterisiert und nicht ihren
Kehrwert. Dieser könnte zutreffender ggf. als spezifische (also auf ei-
ne Einheits-Weglänge bezogene) Laufzeit bezeichnet werden, was aber
weder im Deutschen noch im Englischen üblich ist.
 
 
 
 
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