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nisse der Bohrlochklimatologie insbesondere attraktiv zur
Verifizierung globaler Zirkulationsmodelle, umfangreicher
dreidimensionaler Simulationsrechnungen zur Vorhersage
des zukünftigen Klimas (Gonzáles-Rouco et al. 2003 , 2006 ) :
Sind sie in der Lage, das Klima der Vergangenheit ausgehend
vom heutigen Zustand zu rekonstruieren, so gewinnen ihre
Vorhersagen für die Zukunft an Glaubhaftigkeit.
Die Tatsache, dass sie die Diffusion der Temperatur-
variation selbst interpretiert, unterscheidet die thermische
Bohrlochklimatologie von den Methoden, welche indirekte
Stellvertreterdaten ( proxies ) nutzen, die von der Klimaver-
änderung ausgelöste Effekte darstellen: Wachstumsspuren
bei Bäumen (Baumringe); Tropfsteine und Korallen; Jahres-
schichten (Warven) oder die Häufigkeit von Pollen verschie-
dener Pflanzen in See- oder Meeressedimenten und Eisbohr-
kernen; die Konzentration stabiler Isotope ( 18 O ;• D). Diese
Stellvertreterdaten ermöglichen jedoch eine wesentlich hö-
here zeitliche Auflösung, im Gegensatz zu der auf der Inter-
pretation eines Diffusionsprozesses beruhenden thermischen
Bohrlochklimatologie. Somit ergänzen sich die unterschied-
lichen Methoden gut.
Bei der Inversion der Temperaturgeschichte an der Erd-
oberfläche wird meist von einem homogenen oder geschich-
teten Halbraum ausgegangen. Dies ist nicht zwingend, wird
aber zur Vereinfachung im Folgenden vorausgesetzt. Die
stationäre Temperaturverteilung T ref . z / in einem horizon-
tal geschichteten Halbraum wird wiederum durch ( 6.141 )
beschrieben. Können alle anderen Effekte ausgeschlossen
werden, die zu einer Krümmung im Temperaturprofil führen,
so kann diese der klimabedingten Variation der Temperatur
an der Erdoberfläche T O ; ref . t / zugeordnet werden. Wirkt
diese einheitlich auf der Erdoberfläche (z D 0 ), erzeugt
sie eine instationäre Signatur ( 7.59 ) , welche dem eindi-
mensionalen stationären Temperaturfeld in guter Näherung
überlagert werden kann, solange ihre horizontale Korrelati-
onslänge groß ist verglichen mit ihrer Eindringtiefe. Diese
instationäre Störung ( 6.143 ) zum heutigen Zeitpunkt wird
beschrieben durch:
wobei T j die in den Tiefen z j (j D 1 ,...,N)gemesseneTem-
peratur ist und j die um den Beitrag der Wärmeproduktion
reduzierte Bohrlochtemperatur. Die Matrix B jk enthält die
Antwortfunktion der jeweiligen Temperaturvariation T O . t /
an der Erdoberfläche. Wählt man als Näherung von T O . t /
beispielsweise wie in ( 6.148 ) eine Folge gegensinnig gleich
großer Absolutsprünge T k , so sind die Komponenten des
Vektors X k die K C 2 Unbekannten T O ; ref ,q O ; ref sowie die
Sprungtemperaturen T 1 ,...,T K . Die Matrix B jk enthält dann
in der ersten Spalte nur Einsen und in der zweiten Spal-
te die thermischen Widerstände R(z j ) in den Tiefen z j .Die
folgenden K Spalten enthalten die Differenzen der komple-
mentären Fehlerfunktionen zu den Zeiten t k und t k 1 .Damit
definiert ( 6.158 ) ein System N linearer Gleichungen für
M D K C 2 Unbekannte. Dieses System ist im Allgemeinen
sowohl unter- als auch überbestimmt: In der Regel übersteigt
zwar die Anzahl der Tiefen, aus denen Temperaturdaten vor-
liegen, die Anzahl der Temperatursprünge deutlich, sodass
N K ist. Allerdings sind aufgrund des Diffusionsprozes-
ses die Signaturen der Temperatursprünge nicht mehr bzw.
noch nicht in allen Tiefen messbar. Zudem ist das Glei-
chungssystem instabil. Solche Gleichungssysteme können
jedoch oft mit Hilfe der Methode der verallgemeinerten In-
versen, d. h. mit der Singularwertzerlegung (SVD) gelöst
werden (siehe Kasten 3.9 ) . Andere gebräuchliche Ansät-
ze zur Inversion sind die Monte-Carlo-Methode und die
Methode der kleinsten Quadrate im Funktionenraum (FSI:
functional space inverse ). Eine Beschreibung dieser bei-
den anderen Methoden und vieler anderer Aspekte sowie
Hinweise auf weiterführende Literatur findet sich z. B. in
der ausführlichen Monografie von Bodri & Cermák ( 2007 ) .
Die folgende Diskussion erfolgt jedoch exemplarisch in Be-
zug auf die SVD-Methode, die bereits im Zusammenhang
mit der seismischen Tomografie eingeführt wurde und mit
welcher der in einer Lösung akzeptable Rauschpegel auf
einfache Weise angegeben werden kann. Der Preis für die
hierdurch erzielte Stabilisierung der Lösung ist ein entspre-
chender Verlust an Auflösung.
Wie im Kasten 3.9 dargelegt, wird die N M-Matrix B
in ein Produkt dreier Matrizen zerlegt, B D U ƒ V T ,wo-
bei U eine orthonormale N N-Matrix im Datenraum ist,
V eine orthonormale M M-Matrix im Parameterraum und
ƒ eine N M-Matrix. Deren einzige, von null verschiede-
ne Elemente sind die L Singularwerte
T . z / tD 0 D T . z / tD 0 T O ; ref
Z
z
T O .£/
£ 3=2
e z 2 =.4›£/ d £:
D
p
(6.157)
4 ›
0
, ..., L)
auf der Diagonalen (L min . N ; M / ). Die Matrizen U und
V sind aus den N bzw. M orthonormalen Spaltenvektoren
aufgebaut, welche den Daten- bzw. Parameterraum aufspan-
nen. Allgemein ist ein solches System unterbestimmt für
L < M und überbestimmt für L < N. Wie oben erläutert, ist
das Gleichungssystem ( 6.158 ) jedoch sowohl über- und un-
terbestimmt, da nicht alle Gleichungen Informationen über
alle Unbekannten enthalten. Entsprechend wird die Matrix
ƒ der Singularwerte in die folgenden Untermatrizen aufge-
ƒ ii (i
D
1
Hierbei ist t die Zeit vor heute. Man kann dieses Inte-
gral nun für unterschiedliche Näherungen T O . t / der zeit-
lichen Variation der Temperatur an der Oberfläche der Er-
de (z D 0 ) auswerten, beispielsweise für einen einzel-
nen Sprung ( 6.144 ) bzw. mehrere Sprünge (( 6.145 ) bzw.
( 6.148 ) ), eine lineare ( 6.151 ) oder eine harmonische Varia-
tion ( 6.153 ) . Das in einer Bohrung gemessene Temperatur-
Tiefenprofil lässt sich dann ausdrücken durch:
j D T . z j / M . z j / D B jk X k ;
(6.158)
 
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