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Wärme und Temperaturfeld der Erde
Die in der Erde gespeicherte Wärme liefert die Antriebs-
energie für die durch thermische Auftriebskräfte hervorgeru-
fenen Konvektionsströme ( thermal convection ) im flüssigen
Erdkern und im plastischen Erdmantel. Im äußeren Erd-
kern bewirkt die Gravitation einen weiteren Antrieb der
Konvektion, indem schwere Komponenten nach unten sin-
ken (negativer Auftrieb), was auch als stofflich bedingte
Konvektion ( compositional convection ) bezeichnet wird. Im
Erdmantel werden die Konvektionsbewegungen ebenfalls
gravitativ durch das Absinken der kühlen, schwereren Krus-
tenplatten an den Subduktionszonen beeinflusst ( slab pull ).
Ihr Aufschmelzen in größerer Tiefe und der damit verbun-
dene thermische Auftrieb werden dagegen wieder durch die
thermische Energie der Erde bewirkt. Die Wärme der Erde
ist somit wesentlich am Entstehen und Aufrechterhalten des
Erdmagnetfelds beteiligt, ebenso wie an der Bewegung der
Platten der Erdkruste.
Aufgrund der vergleichsweise geringen thermischen Dif-
fusivität der Krustengesteine diffundieren Änderungen der
mittleren Temperatur der Erdoberfläche relativ langsam in
die Tiefe. So findet sich beispielsweise die Signatur des
Endes der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren in ca.
1200m und damit in erbohrbarer Tiefe. Daher speichert
die oberste Erdkruste Informationen über den Temperatur-
verlauf an der Erdoberfläche, welche insbesondere in Be-
zug auf die Zeit vor der instrumentellen Wetterbeobachtung
Mitte des 17. Jahrhunderts von großem Wert sind. So kön-
nen u. a. aktuelle Klimamodelle durch Vergleich der von
ihnen für die Vergangenheit berechneten Temperaturen ka-
libriert werden (Gonzáles-Rouco et al. 2006 ; Beltrami et al.
2006 ) . Wegen des diffusiven Charakters der Wärmeaus-
breitung müssen dagegen hinsichtlich der Datierung der
Ereignisse Stellvertreter-Daten ( proxies ) verwendet werden,
die ebenfalls Temperaturänderungen anzeigen, wie Isoto-
pe, Baumringe, Warven, u. a. m., aber in deutlich höherer
zeitlicher Auflösung. Als Lösung der Umkehraufgabe kann
andererseits der Verlauf des Klimas in entsprechend gerin-
gerer zeitlicher Auflösung durch Inversion von im Bohrloch
gemessenen Temperaturen direkt bestimmt werden.
Neben ihrer globalen Bedeutung für das Erdmagnetfeld
und die Geodynamik besitzt die Erdwärme auch ein im-
mer stärker wahrgenommenes großes praktisches Potenzial
zur Energieversorgung. Technisch möglich sind sowohl ihre
direkte thermische Nutzung als auch die Wandlung in elek-
trische Energie. Während gegenwärtig weltweit ca. 11GW
elektrischer Leistung aus heißem geothermischen Wasser
und Dampf erzeugt werden, erfordert die Wandlung von Erd-
wärme in elektrischen Strom außerhalb dieser natürlichen
Lagerstätten die Schaffung technisch angelegter Wärmetau-
scher im tiefen und heißen Untergrund. Hierfür müssen der-
zeit aber noch eine Reihe praktischer Hindernisse überwun-
den werden. Insbesondere ist die Schaffung solcher Tiefen-
wärmetauscher noch immer Gegenstand von Forschung und
Entwicklung und keine Standard-Ingenieurleistung. Auch
sind die Kosten zur Erkundung und Erschließung geother-
mischer Ressourcen durch Bohrungen gegenwärtig noch zu
hoch.
Strömende Fluide hinterlassen schon bei sehr geringen
Strömungsgeschwindigkeiten eine advektive Signatur im
Temperaturfeld, die sich deutlich von der des rein diffusiven
Wärmetransports unterscheidet. Dies eröffnet die Möglich-
keit, geringste Strömungsgeschwindigkeiten aus der Analyse
thermischer Daten zu bestimmen.
Die Lösung der Wärmeleitungsgleichung ist in der
Physik eng mit dem Namen von Jean-Baptiste Joseph
Fourier verknüpft (Kasten 6.1 ) . Einige der dabei entwi-
ckelten Methoden, u. a. die der Fourier-Reihenentwicklung
und -Transformation (Kasten 3.8 ) , wurden zu wichtigen
Werkzeugen der Physik und Ingenieurwissenschaften. Die
für Wärmeleitungsprobleme erarbeiteten Lösungen können
auch häufig auf homologe Gleichungen in anderen Gebieten,
wie z. B. der Hydrogeologie, übertragen werden.
 
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