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5.2 Quellen des Erdmagnetfelds
Lange blieb die Ursache des Erdmagnetfelds unverstanden.
Da jede remanente Magnetisierung der Gesteine oberhalb
der Curie-Temperatur (etwa 675 °C für Magnetit und 800 °C
für Eisen) verschwindet (siehe Abschn. 5.2 ) , reicht der Ma-
gnetismus der Krustengesteine nicht zur Erzeugung des Erd-
magnetfelds. Mitte der 1950er-Jahre erkannte man, dass
eine Wechselwirkung zwischen den mit der Erde rotieren-
den elektrischen Leitern im Erdkern und dem Magnetfeld
dieses aufrechtzuerhalten vermag („selbsterregter Geodyna-
mo“, Abb. 5.8 ) . Mittlerweile weiß man aus dem Vergleich
von Laufzeiten historischer und rezenter Erdbeben, welche
durch den seismisch anisotropen festen Kern liefen, sowie
aus der Analyse der Eigenschwingungen der Erde, dass
der feste Erdkern um etwa 0,3°-0,5° Längengrade pro Jahr
schneller rotiert als Erdkruste und -mantel. Somit ist eine
Voraussetzung für einen selbsterregten Geodynamo gege-
ben. Eine andere wird durch Konvektionsströme zur Erzeu-
gung des erdmagnetischen Hauptfelds erfüllt. Diese werden
im aus Eisen mit etwas Nickel und Schwefel bestehenden
flüssigen äußeren Kern (Tab. 1.4 ) durch thermisch und stoff-
lich bedingte Dichtedifferenzen angetrieben. All dies wurde
innerhalb der letzten 15 Jahre sowohl in Laborversuchen
(Abb. 5.9 ) als auch mittels magnetohydrodynamischer Simu-
lationsrechnungen nachgewiesen (siehe Abschn. 5.2.1 ) .
Die hauptsächliche Quelle des inneren Erdmagnetfelds
ist somit der durch Prozesse im Erdkern angetriebene Geo-
dynamo. Die in der Erdkruste befindlichen magnetischen
Gesteine tragen dagegen nur untergeordnet zum inneren
Erdmagnetfeld bei - einerseits wegen des vergleichsweise
geringen Volumens der Erdkruste, andererseits weil die we-
sentlichen Quellen des Gesteinsmagnetismus nur unterhalb
der begrenzenden Curie-Temperatur wirksam sind (siehe
Abschn. 5.4 und 5.5 ) . Im Folgenden wird aber zunächst die
Wirkungsweise des Geodynamos erläutert. Danach werden
die äußeren Quellen des Erdmagnetfelds und die Magneto-
sphäre diskutiert.
Abb. 5.7 Säkularvariation des Erdmagnetfelds: a Wanderung des ma-
gnetischen Nord- und Südpols von 1820 bzw. 1900 bis 2005. Derzeit
wandern die Pole etwa 40 km pro Jahr in nordwestlicher Richtung
(Daten mit Genehmigung des World Data Center for Geomagnetism,
Kyoto: WDC 2010 ) ; b Abnahme des geomagnetischen Dipolmoments
M im 20. Jahrhundert um ca. 5 × 10 21 Am 2 (Daten: WDC 2010 )
auf bis zu knapp 58 km a 1 im Jahr 2000, während sich jene
des magnetischen Südpols auf 5 km a 1 verlangsamte (Ol-
sen &Mandea 2007 ) . Auf der Grundlage von Berechnungen,
die auf der Kugelfunktionsanalyse von Satelliten-Messdaten
des Erdmagnetfelds beruhen (siehe Abschn. 5.2.3 ) , wird
eine Fortsetzung der linearen Wanderung der magneti-
schen Nordpols nach NNW in Richtung der sibirischen
„Nordland“-Inselgruppe Sewernaja Semlja vorhergesagt.
Auch das magnetische Dipolmoment des Erdmagnetfelds
erfährt eine Säkularvariation. Seit seiner ersten Bestimmung
zu M D 8;5 10 22 Am 2 im Jahr 1839 durch Gauß hat es bis
2010 kontinuierlich auf M D 7;7510 22 Am 2 und somit um
insgesamt rund 8% abgenommen (Abb. 5.7 b ). Die Gründe
für diese Langzeitvariationen liegen in der Natur der feld-
erzeugenden Geodynamos, insbesondere in den zeitlichen
Änderungen der Konvektionssysteme im äußeren Erdkern.
Dessen Funktionsweise wird im Abschn. 5.2.1 eingehender
behandelt.
5.2.1 Der Geodynamo
Der britische Physiker Sir Joseph Larmor 47 (1857-1943) er-
kannte bereits 1919, dass das Magnetfeld der Sonne und an-
derer Sterne, aber auch der Erde, durch eine in meridionalen
47 Eine vielleicht noch bekanntere, mit seinem Namen verbundene Ent-
deckung Larmors ist, dass ein elementarer magnetischer Dipol in einem
homogenen Magnetfeld B um dessen Richtung präzediert mit einer zur
Magnetfeldstärke proportionalen Kreisfrequenz, der Larmor-Frequenz.
Solche Dipole sind beispielsweise das magnetische Moment eines auf
einer Kreisbahn umlaufenden atomaren Hüllenelektrons oder das eines
Protons. Das Protonen-Präzessions-Magnetometer nutzt diesen Effekt
zur Bestimmung der Magnetfeldstärke.
 
 
 
 
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